5. Sanierungsstrategien bei Belastungen

5.1 Vorgangsweise bei Verdacht auf Emissionen in bestehenden Gebäuden

Besteht die Vermutung, dass die Raumluft durch erhöhte Konzentrationen an flüchtigen Substanzen wie Formaldehyd oder VOC belastet ist, ist die Immissionssituation an mehreren Tagen unter verschiedenen Lüftungssituationen zu überprüfen. Dabei sind die gängigen Regelwerke (bspw. Normen der DIN ISO 16000er-Reihe, VDI-Richtlinien) sowie die messtechnischen Vorgaben der AIR „Beurteilung der Innenraumluftkontaminationen mittels Referenz- und Richtwerten“ (Ad-hoc-AG 2007) zu beachten. Zeigen sich bei den Messungen bzw. bei den sensorischen Befundungen erhöhte Schadstoffkonzentrationen oder untypische Gerüche, sind weitere Maßnahmen erforderlich. Wichtig ist es, die Grenzen der Messtechnik zu kennen (Salthammer 2011). In der Praxis bedeutet dies, dass auf Grund einer oder mehrerer Messungen an einem einzelnen Tag keine Einschätzung der Lage und keinesfalls Sanierungsentscheidungen gefällt werden dürfen (wie dies in der Praxis jedoch leider häufig passiert). Der Grund ist der, dass die Raumluft-Konzentrationen an VOC, in geringerem Ausmaß auch von Formaldehyd, von Tag zu Tag sehr stark schwanken können.

Nach Vorliegen der Messergebnisse können Umweltmediziner herangezogen werden, die feststellen, ob eventuell gegebene Beschwerden in Zusammenhang mit den Schadstoffen stehen können. Meist erscheint es in der Folge sinnvoll, die wichtigsten Quellen der gemessenen Stoffe (VOC, Formaldehyd, Geruchsstoffe) im Raum zu identifizieren und den Luftwechsel abzuschätzen. Das Spektrum an VOC in Verbindung mit einer fachgerechten Begehung des Gebäudes liefert für den erfahrenen Innenraumspezialisten Hinweise auf mögliche Quellen. Es können ggf. auch Materialproben entnommen und in Prüfeinrichtungen auf ihr Emissionspotenzial untersucht werden.

Parallel dazu wäre zu prüfen, ob die Lüftungssituation adäquat erscheint und ob durch verstärktes Fensterlüften und/ oder mechanische Lüftungseinrichtungen eine Verbesserung der Situation zu erreichen ist. Oftmals ist die Verbesserung der Lüftung der Räume einem Austausch vermeintlich hoch emittierender Materialien vorzuziehen. Dies gilt vor allem für Klassenräume von Bildungseinrichtungen wie Schulen, Kindergärten oder Universitäten, aber auch für Büroräume und Wohnräume. Zu beachten ist dabei, dass je nach Nutzung unterschiedliche Lüftungsanforderungen bestehen, so müssen in Bildungseinrichtungen höhere hygienische Anforderungen erfüllt werden (UBA 2018).

Ist durch verstärkte Lüftung keine befriedigende Situation herzustellen oder ist der Einbau einer mechanischen Lüftung nicht möglich, kann durch das Abdichten emittierender Flächen etwa mittels aluminiumkaschierter Spezialtapeten eine wirksame Verringerung der Emisisonen erreicht werden. Erst wenn all diese Maßnahmen nicht ausreichen, sollte ein Entfernen der Emittenten erwogen werden.

Zur Reduktion von Formaldehydbelastungen in älteren Fertigteilhäusern kann als Alternativmethode eine Ammoniakbegasung durchgeführt werden, allerdings ausschließlich durch Fachleute. In der Regel ist schon allein auf Grund des meist fortgeschrittenen Alters derartiger Gebäude und der inzwischen stark geänderten Baustandards keine wirtschaftlich vertretbare Sanierung sinnvoll.

 

zurück zum Inhaltsverzeichnis

weiter zu Kapitel 6: Planung, Vorsorge, Best-Practice-Lösungen

 


VOC und Formaldehyd aus Holz und Holzwerkstoffen; Dipl.-Ing. Peter Tappler, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Arbeitskreis Innenraumluft am Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT), Mitglied der Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes (D), IBO-Innenraumanalytik OG; Wien, 2018