Fachartikel in WECOBIS - Schadstoffprobleme im Innenraum - Gesamttext

DI Peter Tappler / Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger / Arbeitskreis Innenraumluft am BMLFUW (österreichisches Umweltministerium) / Mitglied der Innenraumluft-Hygiekommission des Umweltbundesamtes / IBO-Innenraumanalytik OG


 

Inhaltsverzeichnis

1 - Auftreten und Eigenschaften

2 - Was ist gesunde Raumluft?

3 - Was ist ein "Innenraum"?

4 - Gesundheitliche Bedeutung von Schadstoffen im Innenraum

5 - Grenz- und Richtwerte für Schadstoffe im Innenraum

6 - Die wichtigsten flüchtigen Schadstoffe in der Innenraumluft

6.1 - Flüchtige organische Verbindungen (VOC)

6.2 - Formaldehyd

6.3 - Geruchsstoffe

6.4 - Schimmel

7 - Was sind die Hauptverursacher an flüchtigen Stoffen?

7.1 - Kleber, Leime und Dichtstoffe

7.2 - Massivbaustoffe und Dämmstoffe

7.3 - Oberflächenbeschichtungen

7.4 - Holz und Holzwerkstoffe

7.5 - Bodenbeläge

7.6 - Sonstige Quellen

8 - Die Problematik der tieferen Bauteilschichten - interzonaler Massentransfer

9 - Fallbeispiele mit Vermeidungsstrategien

9.1 - Feuchteabdichtungen lösungsmittelarm oder nicht- VOC und Gerüche aus tieferen Schichten

9.1.1 - Fallbeispiel
9.1.2 - Hintergrund
9.1.3 - Abhilfe

9.2 - Grüße aus der Vergangenheit - Gerüche nach Naphtalin

9.2.1 - Fallbeispiel
9.2.2 - Hintergrund
9.2.3 - Abhilfe

9.3 - Dauerbrenner Formaldehyd - wie lange dauern Emissionen an?

9.3.1 - Fallbeispiel
9.3.2 - Hintergrund
9.3.3 - Abhilfe

9.4 - Benzol und Gerüche als Sekundärprodukte bei Verbrennungsprozessen

9.4.1 - Fallbeispiel
9.4.2 - Hintergrund
9.4.3 - Abhilfe

9.5 - Schimmelgerüche: MVOC bei lang andauerndem Schimmelbefall

9.5.1 - Fallbeispiel
9.5.2 - Hintergrund
9.5.3 - Abhilfe

9.6 - Möbelneugeruch als Störfaktor in Innenräumen

9.6.1 - Fallbeispiel
9.6.2 - Hintergrund
9.6.3 - Abhilfe

9.7 - Ist Natur gesund? Holzwerkstoffe und VOC-Emissionen

9.7.1 - Fallbeispiel
9.7.2 - Hintergrund
9.7.3 - Abhilfe

9.8 - Polystyrolprodukte und Styrolgerüche

9.8.1 - Fallbeispiel
9.8.2 - Hintergrund
9.8.3 - Abhilfe

10 - Literatur

1. Auftreten, Eigenschaften

Die Menschen in Mitteleuropa halten sich heute durchschnittlich 90 Prozent der Zeit in Innenräumen auf. Pro Tag atmet der Mensch 10 bis 20 m3 Luft ein, je nach Alter und je nachdem, wie aktiv er ist. Das ist weitaus mehr als die Menge an Lebensmitteln und Trinkwasser, die eine Person täglich zu sich nimmt. Manchmal atmen wir in geschlossenen Räumen mehr Schadstoffe ein als an dicht befahrenen Straßenkreuzungen. Ein Grund dafür sind Schadstoffquellen im Innenraum sowie moderne Fenster und Türen, die beinahe luftdicht abschließen. Solche Maßnahmen sind sinnvoll, weil damit Energie gespart wird. Aber leider gelangt dadurch zu wenig Frischluft in die Räume. Es ist in jedem Fall wichtig, sich mit der Innenraumluftqualität zu beschäftigen.

Baustoffe, Materialien der Inneneinrichtung oder auch das Erdreich können Schadstoffquellen für den Innenraum sein. Zusätzlich belasten beispielsweise Zigarettenrauch, Reinigungsmittel oder Kochdunst die Atemluft. Im Vordergrund stehen vor allem flüchtige Stoffe (VOC = flüchtige organische Verbindungen, Formaldehyd), die über den Atem aufgenommen werden. Schlechte Raumluft beeinträchtigt unser Wohlbefinden und kann sogar zu dauerhaften Gesundheitsschäden führen. Deshalb müssen wir auf gute Atemluft in unseren eigenen vier Wänden achten und unser Lüftungsverhalten den heutigen Gegebenheiten anzupassen.

2. Was ist gesunde Raumluft?

Von „gesunder Raumluft“ sprechen wir dann, wenn die Luft frei von Verunreinigungen ist – ähnlich wie bei Trinkwasser und bei festen Nahrungsmitteln. „Gesunde Raumluft“ zeichnet sich auch durch eine behagliche Temperatur und nicht zu viel oder zu wenig Luftfeuchte aus. Wichtig ist auch die Zufuhr Außenluft in ausreichender Menge, um die vom Menschen selbst verursachten Luftverunreinigungen abzuführen.

Gesunde Raumluft ist das Ergebnis von schadstoffarmen Baustoffen und Einrichtungsgegenständen sowie regelmäßigem Luftaustausch mit der Außenluft, die im Idealfall weitgehend frei von Staub, Ruß, Pollen usw. ist. Wie „gesund“ die Raumluft ist, hängt von den Schadstoffbelastungen und Verunreinigungen innerhalb des Gebäudes und natürlich auch von der Qualität der zugeführten Außenluft ab. Schadstoffquellen im Wohnraum können Baustoffe, Materialien der Innenausstattung und Einrichtungsgegenstände (Böden, Möbel, Teppiche usw.) sein. Auch der Mensch selbst und seine Tätigkeiten sind eine nicht zu unterschätzende Quelle an Schadstoffen: Menschen geben in nicht unbeträchtlichem Ausmaß organische Stoffe, Kohlendioxid (CO2) und Geruchsstoffe an die Raumluft ab.

3. Was ist ein „Innenraum“?

Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU, www.umweltrat.de) definiert „Innenräume“ als Wohnungen mit Wohn-, Schlaf-, Bastel-, Sport- und Kellerräumen sowie Küchen und Badezimmern, außerdem Arbeitsräume in Gebäuden, die im Hinblick auf gefährliche Stoffe nicht dem Geltungsbereich der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) unterliegen, dies sind beispielsweise Büroräume, Räume in öffentlichen Gebäuden (Krankenhäuser, Schulen, Kindertagesstätten, Sporthallen, Bibliotheken, Gaststätten, Theater, Kinos und andere öffentliche Veranstaltungsräume). Aufenthaltsräume zählen immer zu „Innenräumen“, zugehörige Nebenräume dann, wenn sie „Innenräumen" benachbart sind. Das Innere von Kraftfahrzeugen und öffentlichen Verkehrsmitteln zählen ebenfalls zu den „Innenräumen“.

4. Gesundheitliche Bedeutung von Schadstoffen im Innenraum

Der Innenraum als unsere „dritte Haut“ ist ein wesentlicher Baustein für gesundheitliches Wohlbefinden und für hohe Lebensqualität. Die Vermeidung von Innenraum-Schadstoffen, Schimmel und Allergenen ist deshalb besonders wichtig und kann maßgeblich beeinflusst werden. Wenn man sich in bestimmten Räumen nicht wohl fühlt oder immer wieder krank wird, ist unter Umständen das Gebäude als Ursache nicht auszuschließen.

Als „Schadstoffe in Innenräumen“ im weiteren Sinn gelten alle Substanzen und andere Faktoren, die das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigen können. Andererseits gibt es auch Faktoren, die die Raumluft positiv beeinflussen. Die Reaktion auf Schadstoffe ist individuell verschieden. Manche Menschen haben eine „Spürnase“ und sind daher sensibel für Gerüche. Andere reagieren empfindlich, wenn sie mit bestimmten Chemikalien in Kontakt kommen.

Zu den Befindlichkeitsstörungen zählen Symptome wie Kopfschmerzen, starke Stimmungsschwankungen, Verdauungsstörungen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche und Müdigkeit. Ihre Ursachen ausfindig zu machen, erweist sich oft als schwierig, da sie sich nicht bestimmten Krankheitsbildern zuordnen lassen. In vielen Fällen werden schadstoffbedingte Befindlichkeitsstörungen durch zusätzliche Belastungsfaktoren wie Stress, Lärm etc. noch verstärkt.

Luftverschmutzungen belasten primär den Atmungstrakt, also die Schleimhäute der Nase, des Rachens und des Kehlkopfes. Betroffen sind auch Luftröhre und Lunge sowie die Bindehaut der Augen. Akute Reizerscheinungen der oberen Atemwege sowie Bindehautreizungen werden in Innenräumen meist durch flüchtige Substanzen wie Formaldehyd und Lösungsmittel sowie durch Allergene verursacht. Trockene Luft begünstigt die Entstehung dieser Beschwerden.

Die Empfindlichkeit von Menschen gegenüber Luftschadstoffen ist individuell sehr verschieden. Manche reagieren schon auf geringste Mengen mit verringerter Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Beeinträchtigungen der Atemwege oder Unbehagen. Diese Symptome sind Warnsignale für die Gefährdung der Gesundheit und können auch Vorboten krankhafter Veränderungen sein. Eine besondere Gefahr stellen Schadstoffe in Innenräumen dar, wenn die Abwehrkräfte eines Menschen geschwächt sind, wie etwa in der Regenerationsphase nach einer Krankheit. Gute Luft ist besonders in Räumen wichtig, in denen sich Kinder, Schwangere, ältere Menschen und Personen, die unter Atemwegsproblemen leiden, aufhalten.

Allergien sind Überreaktionen des menschlichen Immunsystems. Substanzen, die Allergien auslösen, nennt man Allergene. Mit Allergenen kommt der Mensch über die eingeatmete Luft, die Nahrung und durch Hautkontakt in Berührung. Als Symptome treten vorwiegend Reizungen der Schleimhäute (Atmungstrakt, Auge), Schnupfen, allergisches Asthma und Kontaktekzeme auf. Zu den wichtigsten Allergenen in Innenräumen zählen Hausstaubmilben, Schimmelpilzsporen sowie Haare und Hautschuppen von Haustieren. Auch Schadstoffe aus Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen sowie Pflanzen können Allergien hervorrufen.

„Multiple Chemical Sensitivity“ (MCS) bezeichnet eine generelle Überempfindlichkeit gegen Chemikalien. Betroffene Menschen reagieren auf verschiedenste Chemikalien – auch schon in niedrigster Konzentration – mit Befindlichkeitsstörungen und Reizerscheinungen. Das sogenannte „Sick Building Syndrom“ äußert sich in unspezifischen Symptomen wie etwa Schleimhautreizungen, Müdigkeit und Kopfschmerzen.

5. Grenz- und Richtwerte für Schadstoffe im Innenraum

Echte Grenzwerte für Substanzen in Räumen gibt es mit einer Ausnahme (Tetrachlorethen) nur für Arbeitsplätze, an denen mit gesundheitsschädlichen Substanzen gearbeitet wird und an denen Arbeitsplatzgrenzwerte nach der Gefahrstoffverordnung gelten. Diese Grenzwerte werden allerdings nicht, wie der Titel vielleicht vermuten lässt, an allen Arbeitsplätzen angewendet, sondern nur an solchen, an denen mit gesundheitsschädlichen Stoffen gearbeitet wird. So ist eine Belastung mit Formaldehyd in der Luft eines Büroraumes, die durch Ausgasung aus spanplattenhaltigen Möbeln entsteht, wie eine Belastung im Wohnraum zu betrachten und nicht wie eine Belastung am Arbeitsplatz, etwa in der chemischen Industrie.

Für „Innenräume" wie Büros, Schulen, Wohnräume und dergleichen wurden spezielle Richtwerte veröffentlicht, die aus Vorsorgegründen weit unter den Arbeitsplatzgrenzwerten liegen. Im Auftrag der Gesundheitsministerkonferenz wurden seit 1993 vom „Ausschuss für Innenraumrichtwerte“ (früher „Ad-hoc-Arbeitsgruppe“) zahlreiche Verunreinigungen der Innenraumluft quantitativ bewertet und bundeseinheitliche Richt- und Leitwerte für die Innenraumluft festgesetzt. Dieser Ausschuss besteht aus Fachleuten der Innenraumlufthygienekommission (IRK) und Fachleuten der Arbeitsgruppe Innenraumluft des Umwelthygieneausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Diese Richtwerte wurden auf der Website des Umweltbundesamtes veröffentlicht und laufend erweitert.

Neben den Richtwerten definierte der Ausschuss für Innenraumrichtwerte auch Leitwerte. Unter einem Leitwert versteht der Ausschuss einen hygienisch begründeten Beurteilungswert für einen Stoff oder eine Stoffgruppe. Leitwerte werden festgelegt, wenn systematische praktische Erfahrungen vorliegen, dass mit steigender Konzentration die Wahrscheinlichkeit für Beschwerden oder nachteilige gesundheitliche Auswirkungen zunimmt, der Kenntnisstand aber nicht ausreicht, um toxikologisch begründete Richtwerte abzuleiten. Leitwerte wurden bisher für Kohlendioxid in der Innenraumluft, für die Summe der flüchtigen organischen Verbindungen (Total Volatile Organic Compounds – TVOC) und für Feinstaub (Particulate Matter – PM2,5) festgelegt.

Für Schimmelsporen in Innenräumen sind fixe Richtwerte nicht sinnvoll. Schimmelprobleme werden nach dem „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ des Umweltbundesamtes behandelt.

Mitunter werden zur Bewertung von Raumluftschadstoffen auch sogenannte „Baubiologische Richtwerte“ angeführt. Diese haben keine nachvollziehbaren wissenschaftlichen Grundlagen und sollten daher nicht zur Bewertung von Innenraumfaktoren herangezogen werden.

6. Die wichtigsten flüchtigen Stoffe in der Innenraumluft

6.1. Flüchtige organische Verbindungen (VOC)

Unter der Abkürzung VOC (Volatile Organic Compounds) wird eine Vielzahl von Lösungsmitteln und anderen chemisch-organischen Substanzen zusammengefasst. Quellen sind u.a. Farben, Lacke, Klebstoffe oder Putz- und Reinigungsmittel. Erhöhte Konzentrationen an VOC in Innenräumen können teilweise für ernste gesundheitliche Beschwerden verantwortlich sein.

Unter den VOC befinden sich beispielsweise Reiz- und Geruchsstoffe wie Butylacetat, Styrol, Hexanal oder die sensibilisierende Substanz 3-Caren, die aus den unterschiedlichsten Materialien ausgasen und die Raumluft belasten. Neben Farben und Lacken können Putz- und Reinigungsmittel, Klebstoffe, Putze, Bitumenanstriche oder Kunststoffbeschichtungen VOC abgeben. Im Gebäude verwendete Reinigungsmittel und andere lösungsmittelhältige Präparate können ebenfalls eine Quelle darstellen.

Eine weitere Ursache für erhöhte Schadstoffkonzentrationen in Innenräumen sind Emissionen aus Gewerbebetrieben wie Lackierereien, Druckereien oder metallverarbeitenden Betrieben. In Wohnungen, die an chemische Reinigungsbetriebe grenzen, werden mitunter erhöhte Konzentrationen an Tetrachlorethen (TCE, PER) gemessen. Nach dem Aufbringen von Dichtanstrichen auf Polyesterbasis wurden oftmals hohe Konzentrationen der stechend riechenden Substanz Styrol nachgewiesen.

In zahlreichen Fällen ist neben der Materialauswahl eine unzureichende Lüftung einer der Gründe, warum Richtwerte für VOC in Innenräumen überschritten werden. Wie eine jüngst durchgeführte Studie (Tappler et al. 2014) zeigte, liegt die durchschnittliche Konzentration an VOC in mechanisch belüfteten Wohnobjekten deutlich niedriger als in Objekten mit reiner Fensterlüftung.

6.2. Formaldehyd

Formaldehyd ist ein farbloses Reizgas, das in zahlreichen Produkten des täglichen Lebens eingesetzt wird. Schon sehr geringe Konzentrationen können zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Die Substanz wird von der WHO als krebserzeugend eingestuft, dies allerdings nur in höheren Konzentrationen, als üblicherweise in Innenräumen gemessen werden.

Für hohe Raumluftkonzentrationen kommen unterschiedliche Quellen in Innenräumen in Betracht. Spanplatten und andere Holzwerkstoffe, Verbrennungsprodukte wie Tabakrauch, offene Gasflammen, Zimmeröfen, Desinfektionsmittel sowie in seltenen Fällen Kunststoffschäume und Teppiche können Formaldehyd abgeben.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Situation bei Holzwerkstoffen seit den Achtziger- und Neunziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts stark verbessert hat. Alte, hoch belastete Spanplatten (meist in Fertighäusern bis Anfang der Achtziger-Jahre eingesetzt) können jedoch entgegen weitverbreiteter Ansicht im Einzelfall auch heute noch größere Mengen an Formaldehyd an die Raumluft abgeben. Darüber hinaus ist auch bei Formaldehyd mitunter eine unzureichende Lüftung der Hauptgrund für erhöhte Konzentrationen in Innenräumen.

6.3. Geruchsstoffe

Gerüche spielen im täglichen Leben eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Erfahrung zeigt, dass das Thema Gerüche auf Grund steigender Anforderungen an die Raumluftqualität stark an Bedeutung gewinnt. Gerüche können sehr unterschiedlich empfunden und bewertet werden. Solange Gerüche nicht als lästig wahrgenommen werden, ist dies innenraumhygienisch in der Regel ohne Folgen, teilweise wird sogar eine Raumluftbeduftung von den Raumnutzern selbst aktiv betrieben. Unerwünschte Geruchsbelästigungen hingegen sind häufig Ursache von Beschwerden und Auseinandersetzungen, sie gelten allgemein als Umweltstressoren.

Viele Gerüche sind der Stoffklasse der VOCs zuzuordnen. Neben Baustoffen und Materialien der Innenausstattung bzw. deren Abbauprodukten können u. a. technische Anlagen, Bauschäden, Tiere und die Nutzer selbst Ursache für Geruchsbelastungen sein. Als besonders belastend gelten sehr unangenehme oder mit Gefahrensituationen assoziierte Gerüche. Ein wesentlicher Grund für die Zunahme an Beschwerden über Gerüche in Innenräumen dürfte darin zu sehen sein, dass Gebäude aus Gründen der Energieeinsparung immer luftdichter gebaut werden, wobei oftmals nicht gleichzeitig für einen hygienisch ausreichenden Luftwechsel gesorgt wird.

Grundsätzlich ist jeder Geruch die Folge einer Emission aus einer Quelle, aber nicht jede Abgabe von flüchtigen Stoffen führt zu einem Geruch. Der Grund dafür ist, dass Gerüche subjektiv wahrgenommen und beurteilt werden. Die Wahrnehmung eines Geruches ist zudem substanz- und konzentrationsabhängig. Es gibt Substanzen, die schon in äußerst geringer Konzentration wahrnehmbar sind, d. h. sie weisen eine niedrige Geruchsschwelle auf und sind unter Umständen messtechnisch gar nicht nachweisbar. Wiederum gibt es Substanzen, die erst bei höheren Konzentrationen geruchlich wahrnehmbar sind, d. h. sie weisen eine hohe Geruchsschwelle auf.

Manche Geruchsstoffe sind in ihren Aspekten Intensität, Hedonik und Qualität sowie vor allem der Akzeptanz nur sensorisch erfassbar, andere können auch chemisch-analytisch gemessen werden. Im Leitfaden Gerüche in Innenräumen des österreichischen Umweltministeriums sowie in der DIN ISO 16000-30 werden umfangreiche Hinweise zu Auftreten, sensorischer Erfassung und Bewertung von Gerüchen gegeben.

6.4. Schimmel

Ein Schimmelbefall liegt dann vor, wenn sich Mikroorganismen auf oder in einem Material vermehren oder vermehrt haben. Schimmelpilzsporen finden sich, wenn auch in unterschiedlicher Anzahl, praktisch überall in der Luft, so auch in jedem Innenraum. Zum Auskeimen benötigen sie jedoch Feuchtigkeit. Diese Feuchtigkeit – an Wänden, Fensterstöcken oder Möbeln – entsteht oft durch Kondensation der Luftfeuchtigkeit, aber auch durch direkten Wassereintritt in die Materialien.

Mikrobielles Wachstum im Innenraum ist in erster Linie ein hygienisches Problem. Aus epidemiologischen Studien geht eindeutig hervor, dass es bei Feuchteschäden und Schimmelpilzwachstum in Innenräumen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie z.B. Atemwegsbeschwerden, Reizungen der Atemwege und der Schleimhäute, sowie zu einem vermehrten Auftreten von Atemwegserkrankungen kommen kann. Erhöhte Sporenkonzentrationen beeinträchtigen vor allem Allergiker. Durch von Schimmel abgegebene Stoffwechselprodukte besteht jedoch auch für Nicht-Allergiker das Risiko einer möglichen Gesundheitsschädigung. In seltenen Fällen können, verursacht durch ein geschwächtes Immunsystem, Infektionen auftreten. Anzumerken ist, dass der genaue Wirkmechanismus noch immer ungeklärt ist und die Kenntnis der Sporenkonzentrationen in der Raumluft allein nicht das gegebene Gesundheitsrisiko bei einem Schimmelbefall widerspiegeln. Daher ist nach dem Vorsorgeprinzip die Belastung der Raumluft mit Sporen, Bestandteilen und Stoffwechselprodukten von Schimmelpilzen und anderen Mikroorganismen zu minimieren, bevor negative gesundheitliche Wirkungen auftreten.

Ursachen für Schimmelschäden sind meist mangelnde oder falsch angebrachte Wärmedämmung, schlechte Belüftung, Wärmebrücken oder eine erhöhte Freisetzung von Feuchtigkeit durch menschliche Aktivitäten in der Wohnung. Aber auch Wassereintritt durch Schäden an der Wasserinstallation, eine undichte Gebäudehülle oder aufsteigende Feuchte über erdberührte Wände können Schimmelbildung hervorrufen. Bei mikrobiellem Wachstum bzw. erhöhten Schimmelpilz-Konzentrationen der Raumluft von Innenräumen sowie akuten Wasserschäden müssen die Ursachen hierfür ermittelt und beseitigt werden. Akute Wasserschäden sind umgehend bautechnisch zu sanieren bzw. es ist nach der Schimmelsanierung eine technische Bauteiltrocknung einzuleiten, um ein mögliches neuerliches mikrobielles Wachstum an den betroffenen Bauteilen zu verhindern.

Mikroorganismen geben nicht nur Sporen sondern auch flüchtige Gase, sogenannte MVOC (microbial volatile organic compounds) in die Raumluft ab. Diese gasförmigen Stoffe entstehen beim Wachstum von Pilzen und Bakterien und kommen in vergleichsweise geringen Konzentrationen in der Raumluft vor. Da von verschiedenen Mikroorganismen stark riechende Verbindungen produziert werden, entsteht häufig eine Geruchsentwicklung. Die von Schimmelpilzen abgegebenen MVOC können empfindliche Menschen stark belasten, typischer Schimmelgeruch beeinträchtigt in unzumutbarer Weise die Wohnqualität. Dabei spielen nicht die Stoffeigenschaften der MVOCs, sondern die Warnfunktion von untypischen Gerüchen eine Rolle.

Hilfe bei Schimmelproblemen findet man im „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ des Umweltbundesamtes.

7. Was sind die Hauptverursacher an flüchtigen Stoffen?

7.1. Kleber, Leime und Dichtstoffe

Lösungsmittelhaltige Bauchemikalien wie Klebstoffe, Leime, Dichtstoffe oder Fugen- und Ausgleichsmassen können zu einer zum Teil monate- bis jahrelangen Beeinträchtigung der Innenraumluft durch flüchtige organische Stoffe (VOC) führen. Vorsicht ist vor allem bei bestimmten Dichtmassen und Bauanstrichen gegen Feuchte geboten, die mitunter hohe Konzentrationen aromatischer Lösemittel enthalten. Gerade bei Bitumenanstrichen und anderen Dichtanstrichen haben sich lösemittelarme Alternativen (arm an organischen Lösemitteln) gut bewährt, so dass eine Anwendung lösungsmittelhältiger Produkte wenn überhaupt nur in Sonderfällen erforderlich ist.

Unmittelbar nach Fertigstellung von Neubauten oder nach Renovierungen sind bestimmte Konzentrationen an VOC zu erwarten, bei konsequenter Vermeidung lösemittelhaltiger Produkte liegen die Summen-Konzentrationen an VOC (TVOC) durchwegs unter 250 bis 300 µg/m³.

Lösungsmittelhaltige Teppichkleber sollten in der heutigen Zeit nahezu keine Rolle mehr spielen, werden aber mitunter immer noch eingesetzt. Offenporiger Kork lässt die Lösemittel unmittelbar nach Verlegung hindurch, bei PVC, Linoleum und Gummibelägen treten die Lösemittel teilweise erst nach einigen Wochen aus.

Auch Leime können durch ihre Ausgasungen die Raumluft mitunter über Monate oder sogar Jahre hinweg belasten. Der klassische PVA-Leim und PU-Leime sind als unbedenklich für die Nutzer von Innenräumen anzusehen, problematisch sind Formaldehyd abspaltende Leime, die vor allem für Holzwerkstoffe eingesetzt werden.

7.2. Massivbaustoffe und Dämmstoffe

Baumaterialien haben großen Einfluss auf Wohnklima und -qualität. Für Wandbaustoffe, Dämmstoffe sowie Putze werden verschiedene flüchtige Substanzen eingesetzt, deren Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit nicht immer ausreichend untersucht ist. In der Regel ist der Anteil an flüchtigen Substanzen gering.

Anorganische Baustoffe wie Ziegel, Kalk- oder Gipsputze und Betonsteine belasten das Innenraumklima in der Regel nicht. Die poröse Struktur von Putzoberflächen führt mitunter zu starken Ad- und Desorptionserscheinungen, wobei flüchtige und mittelflüchtige Substanzen, die aus anderen Quellen im Innenraum stammen, angelagert und wieder abgegeben werden. Relevanz erlangen Sorptionserscheinungen vor allem durch die persistierende Abgabe von Schadstoffen nach Entfernen der Primärquelle im Sanierungsfall. Andererseits haben anorganische Baustoffe durch ihre Fähigkeit, Schadstoffe und Wasserdampf aufzunehmen, eine positive Wirkung auf das Raumklima.

Dämmstoffe sind in Bezug auf die Emission an VOC als unproblematisch anzusehen, das Bindemittel von Mineralwolle kann allerdings Formaldehyd in geringen Mengen abspalten.

7.3. Oberflächenbeschichtungen

Vor 100 Jahren wurden Lacke und Farben von den Malern selbst aus wenigen Bestandteilen angerührt. Heute gibt es unzählige Rezepturen für Farben und Lacke. Ihre komplette Zusammensetzung ist aus den Produktdeklarationen meist nicht ersichtlich.

Belastungen der Raumluft werden in erster Linie durch Lösemittel, in geringem Ausmaß durch ausgasende Kunststoffbestandteile oder Hilfsstoffe, wie z.B. Weichmacher erzeugt. Beschichtungen von Einrichtungsgegenständen, aber auch von Metallelementen können häufig Quellen von VOC sein, die mitunter – auch durch ihre Geruchsentwicklung – zu Störungen des Wohlbefindens und gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können.

Bei Holzböden werden mitunter immer noch Imprägnierungen mit lösemittelhältigen Pflanzenharzen und -ölen als ökologische Alternative beworben. Lösemittelhältige Rezepturen führen zu länger anhaltenden Konzentrationen an Terpen-Kohlenwasserstoffen und Aldehyden und werden als nicht empfehlenswert eingestuft. Lösemittelarme Alternativen sind hier seit Jahren erfolgreich am Markt.

7.4. Holz und Holzwerkstoffe

Die am häufigsten verwendeten Bindemittel bei der Produktion von Holzwerkstoffen (z.B. Spanplatten) für Einrichtungsgegenstände und Wandbaustoffe sind formaldehydhältige Harze. Auch neue Span- und OSB-Platten geben kontinuierlich Formaldehyd an die Raumluft ab, wenn auch in wesentlich geringerem Ausmaß als in den Siebziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Der Geruch nach Holz und der wohltuende optische Eindruck werden bekanntlich von vielen Menschen als sehr angenehm empfunden – wer sich wohl fühlt, wird vermutlich auch weniger krank. Zirbenholz wird sogar nachgesagt, dass es auf Grund der permanenten Abgabe von Terpen-Kohlenwasserstoffen die Gesundheit fördern soll, für diese den Verkauf von diversen Zirbenprodukten fördernde Meinung gibt allerdings keine ernstzunehmenden Belege oder Hinweise.

Im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes wurden Untersuchungen zum Emissionsverhalten von Kiefernholz und daraus hergestellten Holzwerkstoffen wie OSB-Platten und Leimhölzern durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass es wichtig ist, vor allem bei der Holzart Kiefer, die für ihre starke Emission an VOC´s bekannt ist und bei OSB-Platten auf die Emission zu achten. Vor allem bei Brettsperrholzplatten als Wandbaustoff, in denen Kiefernholz verwendet wurde, ist in den ersten Monaten eine nicht unbeträchtliche Abgabe an VOC´s, vor allem zum Teil geruchlich auffällige Terpene und Aldehyde, zu erwarten. In sensiblen Bereichen wie Wohnräumen, Schulen oder Büros sollten daher nur von Kiefernholz freie Materialien eingesetzt werden.

7.5. Bodenbeläge

Synthetische Bodenbeläge aus PVC sind kostengünstig und pflegeleicht. Die Abgabe von flüchtigen Schad- und Geruchsstoffen kann jedoch hoch sein und über einen langen Zeitraum anhalten. Diese Geruchsentwicklung kann zu Störungen des Wohlbefindens und im Einzelfall zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Die Ursache des typischen PVC-Neugeruchs ist noch nicht detailliert bekannt, bei den nachweisbaren Emissionen handelt sich um ein Substanzgemisch aus sehr geruchsintensiven VOCs (bspw. Phenole) und mittelflüchtigen Substanzen wie bspw. diverse aromatische und aliphatische Kohlenwasserstoffe.

Der Hauptanteil von Linoleum ist Leinöl, das unter anderem aus den Bestandteilen Linolsäure und Linolensäure besteht. Aus diesen Leinölbestandteilen entstehen in jedem Fall geruchsintensive Substanzen, die als für Linoleum typisch empfunden und vom Konsumenten in der Regel nicht beanstandet werden. Bei falscher Lagerung bzw. Produktion, die nicht dem letzten Stand der Technik entspricht, verstärken sich allerdings diese Abgasungen, die dann zu den vor allem durch höhere Aldehyde verursachten, persistenten muffigen Gerüchen führen.

Aus Gummibelägen werden hauptsächlich Nebenprodukte, die sich in geringem Umfang bei der Herstellung von Synthesekautschuk bilden (z.B. Vinyl- und Phenylcyclohexen) sowie Reaktionsprodukte aus den Vulkanisationschemikalien Butadien und Styrol freigesetzt. Hieraus resultiert der typische Gummigeruch.

Der typische scharfe Teppichgeruch textiler Bodenbeläge und damit einhergehende gesundheitliche Beschwerden ergeben sich in erster Linie durch ausgasende VOC´s (meist aromatische Kohlenwasserstoffe) aus der Rückenbeschichtung. In den letzten Jahren haben die Beschwerden über stark riechende textile Bodenbeläge allerdings stark abgenommen.

Ein Holzboden kann dann zur Schadstoffquelle werden, wenn Versiegelungslacke oder Imprägnierungen, die organische Lösungsmittel enthalten, eingesetzt werden oder Formaldehyd abspalten. Auch in diesem Segment sind die Beschwerderaten in den letzten Jahren rückläufig. Holzparkett-Beläge emittieren neben Terpen-Kohlenwasserstoffen auch Aldehyde und Carbonsäuren (besonders bei Eichenholz), welche die typischen Holzgerüche verursachen.

Als mögliche Ursache von Emissionen bezogen auf eine Fußbodenkonstruktion ist selbstverständlich auch die vollflächige Verklebung der jeweiligen elastischen und textilen Bodenbeläge einschließlich Parkett zu nennen, vor allem dann, wenn lösemittelhältige Rezepturen eingesetzt werden.

7.6. Sonstige Quellen

Neben den oben genannten Quellen an VOC und Formaldehyd gibt es in Innenräumen eine Vielzahl weiterer Ursachen für erhöhte Schadstoffbelastungen durch flüchtige Substanzen. „Do-it-yourself“ als Beispiel dafür liegt im Trend. Mangelhafte Information und falsche Anwendung führen dazu, dass Heimwerker enorme Mengen an Schadstoffen, wie flüchtige organische Lösungsmittel, Staub oder Dämpfe aus Kunststoffen (Weichmacher, Flammschutzmittel), einatmen. Zudem verteilen sich diese Stoffe im gesamten Wohnbereich.

Untersuchungen (Tappler et al. 2015) zeigen, dass vor allem Ethanolöfen (sog. „Deko-Öfen“) bei Betrieb Formaldehyd und Benzol in zum Teil hohen Konzentrationen abgeben und zu für Innenräume inakzeptabel hohen Konzentrationen führen.

8. Die Problematik der tieferen Bauteilschichten – interzonaler  Massentransfer

In Zusammenhang mit Emissionen von VOC in Verbindung mit Belastungen der Innenraumluft interessiert auch die Frage, unter welchen Umständen es zu sogenanntem „interzonalem Massentransfer“ – dem meist unerwünschten Übertritt von flüchtigen Substanzen von einem Gebäudeteil in einen anderen – kommt.

Obwohl viele Aspekte zu interzonalem Massentransfer nur unzureichend untersucht sind, ist grundsätzlich von einem immer bis zu einem gewissen Grad möglichen Transfer von Schad- und Geruchsstoffen von einem Gebäudeteil zu einem anderen und anschließendem Übertritt in die Raumluft auszugehen – Gebäude sind niemals dicht! Beispiele sind persistente Lösemittelbelastungen durch in der Tiefe liegende Bauteilschichten wie etwa lösemittelhältige Beschichtungen auf Bitumenbasis als Feuchteschutz.

Der Transfer der Substanzen kann relativ rasch durch direkte Strömung über Wegigkeiten (Fugen, Spalten, nicht exakt ausgeführte Verklebungen) oder längerfristig über Diffusion durch Bauteilschichten erfolgen. Auch scheinbar dichte Bauteilschichten sind im Normalfall nicht diffusions- und luftdicht, es bestehen oft Wegigkeiten, durch welche vor allem flüchtige Substanzen wie Lösungsmittel strömen können. Übliche „luftdichte“ Schichten können daher den Transfer von Schadstoffen durch Bauteilschichten hindurch in der Regel nicht verhindern. Leichtbauteile sind grundsätzlich anfälliger als Massivbauteile, was die Emissionen aus tieferen Bauteilschichten betrifft, da eine Luftdichtheit vor allem im Gebäudeinneren in der Regel nicht gegeben ist und sich Leichtbaukonstruktionen als durchlässiger erwiesen haben.

Ein bekanntes Beispiel für den meist über Strömungserscheinungen stattfindenden Transfer von Schad- und Geruchsstoffen ist der Übertritt von Lösemitteln aus benachbarten Gewerbebetrieben oder Chemisch-Reinigungsbetrieben (Tetrachlorethen) in Wohn- oder Büroräume. Für die Intensität und das Auftreten von Luftströmungen sind neben konstruktionsbezogenen Details (welche Wegigkeiten existieren) vor allem lüftungstechnische Gegebenheiten bestimmend. So kann es beim Einschalten eines Abluftventilators zu einem Unterdruck in dem betreffenden Innenraum von einigen Pascal kommen, der schon einen nicht unbeträchtlichen Eintritt von flüchtigen Stoffen aus anderen Gebäudeteilen bewirkt. Bestimmend für das Ausmaß ist weiters der Winddruck, die Windrichtung und der atmosphärische Luftdruck – dies können Gründe für das von Nutzern häufig berichtete intermittierende Auftreten von Gerüchen sein.

Neben Strömungserscheinungen, die als Hauptursache für einen Transfer von Schad- und Geruchsstoffen in Gebäuden zu nennen sind, spielt in manchen Fällen auch Diffusion eine Rolle. Lösungsmittel haben wie Wasser das Bestreben, in Richtung des geringeren Dampfdruckes zu wandern, Diffusion erfolgt zum Teil durch dicke mineralische Bauteile wie Gebäudetrennmauern. Alle mineralischen Bauteile und sogar Kunststofffolien und Bitumenbahnen sind diffusionsfähig. Durch die bei Lösemitteleinsatz geschaffenen Depots kann es auch bei scheinbar „luftdichten“ Konstruktionen und in der Tiefe liegenden Quellen zu am Beginn meist geringfügigen, mit der Zeit aber zunehmenden Durchtritten mit längeren Emissionszeiten kommen. Es kann daher in solchen Fällen mitunter mehrere Jahre dauern, bis die VOC-Konzentrationen wieder unter hygienisch unbedenkliche Werte absinken.

Hilfestellung zur Charakterisierung und Messung von Strömungserscheinungen gibt das Positionspapier zu Luftströmungen in Gebäuden des österreichischen Umweltministeriums. Beispiele für „interzonalem Massentransfer“ findet man in einer Arbeit von Tappler & Damberger (1998).

9. Fallbeispiele mit Vermeidungsstrategien

9.1. Feuchteabdichtungen lösungsmittelarm oder nicht – VOC und Gerüche aus tieferen Schichten

9.1.1. Fallbeispiel

Oberhalb einer Wohnung im 2. Obergeschoß wurde vom Vermieter das Dachgeschoß ausgebaut. Im Zuge der Arbeiten wurde der zukünftige Fußboden der Dachgeschoßwohnung durch einen lösemittelhältigen Bitumenanstrich sowie mittels kurz darauf folgender Verlegung von Bitumenbahnen abgedichtet. Beim Nutzer der darunter liegenden Wohnung traten charakteristische Beschwerden (Augenbindehautreizungen, asthmaähnliche Symptome) auf. Der zufällige Besuch einer Informationsveranstaltung über Innenraumschadstoffe, bei der diese für Lösemittel typischen Beschwerden angesprochen wurden, ließ den Nutzer den Zusammenhang zwischen den Beschwerden und Bauarbeiten im Dachgeschoß herstellen.

Messungen ergaben hohe Konzentrationen aromatischer Kohlenwasserstoffe (> 2 mg/m³) in der Raumluft und etwa 10-fach höhere Konzentrationen in den Hohlräumen der Ziegelträgerdecke der Wohnung. es konnte anhand des Bautagebuchs nachgewiesen werden, dass die Verlegung der Bitumenbahnen vor der Trocknung des lösemittelhältigen Bitumenanstriches und damit viel zu rasch erfolgte. Die im Anstrich in hoher Konzentration vorhandenen Lösemittel konnten daher durch mehrere Bauteilschichten nur nach unten wandern und traten nach einigen Tagen in die Raumluft der unterhalb der Baustelle gelegenen Wohnung ein.

Dieser Fall war insofern interessant, da die Beschwerden des Nutzers schon formuliert wurden, bevor ein Zusammenhang mit einer Lösemittelexposition hergestellt wurde.

9.1.2. Hintergrund

Bitumenanstriche zur Feuchteabdichtung werden in lösemittelhältigen und lösemittelarmen Rezepturen hergestellt. Die lösemittelhältigen Präparate sind einfacher zu verarbeiten und werden daher immer noch eingesetzt. Bei Bitumenanstrichen und ähnlichen Produkten ist davon auszugehen, dass bei Verwendung lösemittelhältiger Präparaten abhängig von den Konstruktionsdetails der Bauteilschichten und der tatsächlich vorhandenen Durchtrittswege allgemein mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Lösemittelbelastung der Raumluft nicht nur benachbarter, sondern mitunter auch weiter entfernter Innenräume gerechnet werden muss.

9.1.3. Abhilfe

Eine vollständige Dichtheit von Bauteilschichten ist in der Praxis nicht zu erreichen. In Gebäuden, die von Menschen genutzt werden, empfiehlt sich daher in allen Fällen allgemein die Verwendung lösemittelarmer Rezepturen. In besonderem Ausmaß gilt dies für Bitumenanstriche zur Feuchteabdichtung.

9.2. Grüße aus der Vergangenheit – Gerüche nach Naphtalin

9.2.1. Fallbeispiel

In einem noch unbenutzten Wohnzimmer einer zu vermietenden Wohnung einer Wohnbaugenossenschaft traten vorerst unerklärliche naphtalinartige Gerüche auf. Es wurde eine Messung der Raumluft auf VOC durchgeführt, bei dieser fiel die relativ hohe und geruchlich schon auffällige Konzentration an Methylnaphtalinen auf (etwa 50 µg/m³). Die Quelle dieser für Teerepoxyanstriche charakteristischen polyaromatischen Kohlenwasserstoffen wurde in der Fußbodenkonstruktion vermutet.

Bei Öffnung der Konstruktion konnten die Gerüche in verstärkter Intensität sensorisch wahrgenommen, jedoch vorerst keine klare Quelle identifiziert werden. Erst die differenzierte Untersuchung ergab, dass eine sehr dünne, farblich unscheinbare mineralische Zwischenschicht für die Emission und die Gerüche verantwortlich war. Bei einer in der Vergangenheit durchgeführten Sanierung wurde offenbar die Primärquelle – ein dunkel gefärbter Teerepoxyanstrich – entfernt, die im Laufe der Zeit entstandene Sekundärkontamination der mineralischen Schichte unter dem Anstrich wurde jedoch nicht von der Sanierung erfasst.

9.2.2. Hintergrund

In Feuchträumen und zur allgemeinen Feuchteabdichtung wurden bis in die Neunziger-Jahre des vorigen Jahrhunderts Teerepoxyanstriche als Wand- und Bodenbeschichtungen verwendet. Neben der Abgasung an organischen Lösungsmittelbestandteilen sind in derartigen Fällen vor allem die polyaromatischen Kohlenwasserstoffe Naphtalin und Methylnaphtaline in erhöhten Konzentrationen feststellbar und über einen längeren Zeitraum geruchlich stark wahrnehmbar. Teeranstriche sind heute verboten und werden nicht mehr verwendet.

9.2.3. Abhilfe

Bei Sanierungen ist auf das Vorhandensein atypischer Gerüche zu achten. Das alleinige Entfernen der Primärquelle an Schadstoffen ist bei mehrschichtigen Konstruktionen oft nicht ausreichend, da auch Sekundärkontaminationen zu einer für eine hygienische Innenraumluft nicht akzeptablen Quelle werden können.

9.3. Dauerbrenner Formaldehyd – wie lange dauern Emissionen an?

9.3.1. Fallbeispiel

Eine junge Familie kaufte ein sehr günstiges Fertigteilhaus aus den späten Siebziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Schon kurz nach Einzug traten bei den Kindern unerklärliche Schleimhautreizungen auf, die bei Aufenthalt in anderen Orten schnell wieder verschwanden. Es keimte daher der Verdacht auf, dass die Beschwerden mit dem gekauften Haus in Verbindung stehen. Auf Grund des Alters des Bauwerkes (35 Jahre nach Errichtung) erschien eine erhöhte Formaldehydkonzentration den Nutzern nicht wahrscheinlich zu sein („der muss ja schon ausgegast sein“).

Messungen ergaben in zwei Räumen deutlich erhöhte Konzentrationen an Formaldehyd knapp unter 0,2 mg/m³ (Richtwert für Innenräume: 0,1 mg/m³).

9.3.2. Hintergrund

In der Regel nehmen Emissionen von flüchtigen Substanzen mit der Zeit ab, wesentlich verstärkt – wie sich in einer Studie von Tappler et al. (2014) zeigte – unter Voraussetzung einer guten Lüftungssituation. Die Konzentration in der Raumluft wird mit der Zeit abhängig vom Luftwechsel immer geringer, bis die Emissionen praktisch nicht mehr nachgewiesen werden können oder – wie bei Formaldehyd aus Spanplatten – sich auf einem bestimmten Niveau einpendeln. Dieses Niveau kann bei Spanplatten niedriger Qualität immer noch hoch sein, bei qualitativ hochwertigen Holzwerkstoffen und ausreichender Lüftung ist es in der Regel verschwindend gering.

Spanplatten, die in der Vergangenheit vor allem in Fertigteilhäusern in größeren Mengen als Wand- und Deckenbaustoff eingesetzt wurden, stellen daher bis dato eine wichtige Quelle von Formaldehyd in Innenräumen dar. Im Laufe der letzten 20 Jahre wurden Spanplatten im Fertighausbau sukzessive durch Gipswerkstoffe ersetzt bzw. liegen mittlerweile hinter luftdichten Schichten und haben dadurch keinen Kontakt mit der Raumluft. Zur Rauminnenseite hin offen liegende bzw. lediglich durch dünne Tapeten- oder Farbschichten verdeckte Spanplatten sind in modernen Fertigteilhäusern nicht mehr zu finden. Bedingt durch das hohe Flächen/Raumvolumenverhältnis, oft verbunden mit niedrigem Luftwechsel, können sich auch bei durchschnittlich emittierenden Spanplatten erhöhte Raumluftkonzentrationen ergeben. Wie Untersuchungen zeigten, kann Formaldehyd aus qualitativ minderwertigen Spanplatten auch noch nach Jahrzehnten in hohen Konzentrationen ausgasen. Ältere Möbel garantieren deshalb nicht immer ein gutes Innenraumklima. Betroffen sind vor allem ältere (bis ca. 1985 erbaute bzw. installierte) Fertigteilhäuser, Möbelfronten und großflächige Wandkonstruktionen.

Informationen zum kürzlich erstellten neuen Richtwert für Formaldehyd für Innenräume findet man in einer Publikation des „Ausschusses für Innenraumrichtwerte“.

9.3.3. Abhilfe

Die Innenraumluft älterer Fertigteilhäuser (bis etwa 1985) sowie Räume mit großflächigen Wandverkleidungen aus dieser Zeit sollten auf die Konzentration an Formaldehyd untersucht werden. Ergeben sich deutlich erhöhte Werte, sollten die alten Möbel geprüft und ggf. ersetzt werden, bei Fertigteilhäusern können Begasungen mit Ammoniak und spezielle Wandfarben eine gewisse Senkung der Formaldehyd-Konzentration bewirken. Oft ist es wirtschaftlicher, einen Neubau oder zumindest eine Sanierung der Wandkonstruktion ins Auge zu fassen. In allen Fällen ist die Lüftungssituation kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern.

In manchen Gebäuden ist der Luftwechsel so niedrig, dass auch bei durchschnittlichen Qualitäten moderner Spanplatten Richtwerte überschritten werden. In diesen Fällen ist für eine hygienische Lüftung der Räume zu sorgen – eine Maßnahme, die auch für die darin lebenden oder arbeitenden Nutzer sinnvoll ist.

9.4. Benzol und Gerüche als Sekundärprodukte bei Verbrennungsprozessen

9.4.1. Fallbeispiel

Der das gesamte Haus heizende, gemauerte Grundofen beginnt etwa 30 Minuten nach dem Beginn des Einheizens Geruchsstoffe an die Raumluft abzugeben. Der Nutzer vermutete eine Schadstoffbelastung der Innenraumluft und ließ eine VOC-Messung durchführen. In der Raumluft wurden unüblich erhöhte Benzol-Konzentrationen (etwa 30 µg/m³) festgestellt, die gleichzeitig durchgeführte sensorische Geruchsbewertung nach DIN ISO 16000-30 zeigte untypische, chemische Gerüche mit mittlerer Intensität.

9.4.2. Hintergrund

Die krebserzeugende Substanz Benzol ist aus Rezepturen von Farben und Lacken völlig verschwunden. Dennoch werden mitunter hohe Konzentrationen dieses Stoffes in Innenräumen nachgewiesen. Wenig bekannt ist, dass Benzol mit seiner relativ einfachen chemischen Struktur bei Wärmeentwicklung als Zersetzungsprodukt aus Kunststoffen sowie bei Verbrennungsprozessen gebildet wird.

Chemische Gerüche und Emissionen flüchtiger Substanzen wie bspw. Benzol entstehen unter anderem bei Erhitzen von Kunststoffen. Werden beispielsweise bei der Errichtung von gemauerten Grundöfen kunststoffarmierte Putze und Bauelemente eingesetzt, kann es zu einer partiellen Zersetzung nach Anheizen des Grundofens kommen – es entsteht Benzol in nicht unbeträchtlichen Konzentrationen (bis zum Wert von 100 µg/m³). Ähnlich verhält es sich bei lackierten Materialien in Ofennähe.

Ein häufige Ursache erhöhter Konzentrationen von Benzol, Formaldehyd, Kohlendioxid (CO2), Stickoxiden und Kohlenmonoxid (CO) sind, wie eine neuere Studie (Tappler et al. 2015) zeigte, auch dekorative Feuerstellen ohne Abzug (Ethanolöfen). Man sollte sich durch die Bezeichnung „Bioethanol“ nicht täuschen lassen – Bioethanol erzeugt exakt die gleichen Schadstoffe in der Innenraumluft wie synthetisches Ethanol.

9.4.3. Abhilfe

Bei Materialien, die Wärme ausgesetzt sind, ist es notwendig, auf jeglichen Kunststoffanteil zu verzichten, um Zersetzungsvorgänge zu vermeiden. Kunststoffe sollten daher weder im Ofenbau verwendet werden noch im unmittelbaren Nahbereich warmer Ofenbauteile vorhanden sein.

Zimmeröfen, bei denen als Brennstoff Ethanol oder alkoholhältige Brennpasten eingesetzt werden, sollten nur bei dauernd geöffneten Fenstern oder bei Betrieb einer mechanischen Lüftungsanlage (Komfortlüftung) mit kurzen Lüftungszyklen eingesetzt werden – ein eher unrealistisches Szenario. Ein allfällig vorhandene Lüftungsanlage muss während des Betriebes des Ofens auf höchster Stufe („Partystellung“) laufen und es ist in kurzen Abständen (bei größeren Öfen mindestens alle 15 Minuten) zusätzlich über Fenster zu lüften. Auch unter diesen Voraussetzungen sind insbesondere bei größeren Öfen Formaldehydkonzentrationen oberhalb des Richtwertes der Akademie der Wissenschaften/BMLFUW und deutlich erhöhte Konzentrationen an Benzol nicht auszuschließen. Nähere Infos gibt das Positionspapier zu Verbrennungsprozessen und Feuerstellen in Innenräumen des österreichischen Umweltministeriums.

9.5. Schimmelgerüche: MVOC bei lang andauerndem Schimmelbefall

9.5.1. Fallbeispiel

In einer frisch renovierten Mietwohnung trat in einem erdberührten Raum ein muffiger Mischgeruch mit einer schimmeltypischen Komponente auf. Es stellte sich heraus, dass die erdberührte Wand mit einer Vorsatzschale versehen war. Bei Inspektion der Rückseite des unmittelbar an der Wand stehenden Schranks wurde makroskopisch sichtbarer Schimmelbefall an der Schrankrückwand festgestellt. Die vor der originären Wand angebrachte Gipskarton-Vorsatzschale war sichtbar durchfeuchtet – bei Öffnung derselben stellte es sich heraus, dass der Hohlraum hinter der Vorsatzschale eine massive Geruchsquelle darstellte.

9.5.2. Hintergrund

Muffige Gerüche oder der eher scharfe Geruch nach Schimmel sind ein untrügliches Zeichen für verdeckten Schimmelbefall – beispielsweise an Schrankrückwänden, bei Verkleidungen oder hinter Vorsatzschalen. Die Gerüche werden sowohl durch im Zuge eines Schimmelschadens auftretende vitale Bakterien als auch durch Schimmelpilze verursacht. Menschen empfinden für Innenräume untypische Gerüche wie das verstärkte Auftreten von MVOC´s mit Recht als Warnsignal, zeigen sie doch eine hygienisch inakzeptable Situation an.

Gipswerkstoffe sind für Gerüche gut durchlässig, im gegenständlichen Fall war von zwei unabhängigen Geruchsquellen – einem Schimmelpilzgeruch aus der Schrankrückwand und einem vermutlich hauptsächlich durch Bakterien verursachten muffigen Geruch aus dem Bereich hinter der Vorsatzschale auszugehen.

9.5.3. Abhilfe

Schimmel benötigt zum Auskeimen und zum Wachstum Feuchtigkeit, man muss sich daher auf die Suche nach der Feuchtequelle machen. Erhöhte Feuchtigkeit kann eine Folge von Wasserschäden, im Mauerwerk aufsteigende bzw. seitlich eintretende Feuchte oder von Kondenswasserbildung (z.B. an Wärmebrücken, Wandbereichen mit ungenügender Luftzirkulation usw.) sein. Sie kann aber auch durch die übliche Raumnutzung bei zu geringem Heizen oder in gut abgedichteten Räumen bei unzureichender Lüftung auftreten.

Die menschliche Nase ist ein guter Indikator für Schimmelgerüche. Um die Quelle dieser unangenehmen Gerüche aufzufinden, müssen unter Umständen Möbel verrückt oder im Einzelfall sogar Bauteile geöffnet werden,. Im Einzelfall helfen auch speziell ausgebildete Schimmelhunde oder spezielle MVOC-Messungen in Hohlräumen. Wenn die Quelle entdeckt ist, müssen die Ursachen für den Befall ermittelt und umgehend beseitigt werden. Akute Wasserschäden sind bautechnisch zu sanieren bzw. ist nach der Schimmelsanierung eine technische Bauteiltrocknung einzuleiten, um ein mögliches neuerliches mikrobielles Wachstum an den betroffenen Bauteilen zu verhindern.

Im „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ des Umweltbundesamtes finden sich Vorgaben zur Sanierung derartiger Schäden.

9.6 Möbelneugeruch als Störfaktor in Innenräumen

9.6.1. Fallbeispiel

Eine alleinstehende Frau leistet sich bei einem kleinen Schreiner eine hochpreisige, maßgefertigte Schlafzimmereinrichtung. Schon in der ersten Nacht fällt der starke Möbelneugeruch in den Räumen auf. Die Gerüche sind auch bei geöffnetem Fenster wahrnehmbar. Vom Schreiner wird beschwichtigt, dass sich die Gerüche innerhalb kurzer Zeit verflüchtigen werden, dies war jedoch trotz intensivem Stoßlüften nicht der Fall. Mit der Zeit traten auch Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schleimhautreizungen auf, die von der Nutzerin auf das Schlafzimmer zurückgeführt wurden, da sie bei Nichtnutzung nicht auftraten. Etwa 6 Monate nach Fertigstellung wurde eine Raumluftmessung durchgeführt, die stark erhöhte Konzentrationen an n-Butylacetat zeigten (etwa 800 µg/m³).

9.6.2. Hintergrund

Der klassische stechend-fruchtige Möbelneugeruch war in den Fünfziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts oft eine durchaus erwünschte Eigenschaft, die signalisierte, dass man sich (endlich nach den Entbehrungen des Weltkrieges) eine neue Einrichtung leisten konnte. Verursacht wird der Geruch meist durch die Substanz n-Butylacetat, die als Inhaltsstoff für die technischen Eigenschaften von Möbellacken auf Nitrocellulose-Basis bestimmend ist. In der Möbelindustrie werden und wurden diese Lacke bevorzugt verarbeitet, da sie preiswert und leicht zu verarbeiten sind.

Auf Grund des niedrigen Geruchsschwellenwertes von n-Butylacetat (dieser liegt bei wenigen Mikrogramm pro Kubikmeter) ist die Substanz schon bei geringen Konzentrationen wahrnehmbar und wird heutzutage meist als störend empfunden. Lang anhaltende Geruchsbelästigungen treten vor allem dann auf, wenn die erste Lackschicht zu schnell überschichtet wurde und die Emission von Lösemitteln aus der unzureichend getrockneten Grundierung verzögert wird.

Lang andauernde, meist als „chemisch" beschriebene Gerüche werden auch durch Alkydharzlacke erzeugt. Wer glaubt, durch reine Natur zu einem geruchsfreien Innenraum zu kommen, wird mitunter ebenfalls schwer enttäuscht: auch natürliche trocknende Öle können vor allem bei falscher Verarbeitung lang andauernde Gerüche abgeben, die sich mit der Zeit von „angenehm, natürlich“ zur Geruchsqualität „muffig, dumpf“ verändern.

9.6.3. Abhilfe

Wenn Lacke als Möbelbeschichtung gewünscht werden, sollten möglichst wasserhaltige emissions- und lösemittelarme Lacksysteme eingesetzt werden. Diese enthalten deutlich weniger Lösemittel und belasten nur in geringem Umfang die Umwelt und die Gesundheit. Vollholzmöbel oder Möbel aus bestimmten Holzwerkstoffen können auch unbeschichtet bleiben bzw. sparsam geölt und/oder gewachst werden.

9.7. Ist Natur gesund? Holzwerkstoffe und VOC-Emissionen

9.7.1. Fallbeispiel

Der Neubau des lang ersehnten Traumhauses eines ökologisch ausgerichteten Ehepaares mit Tochter wurde nach baubiologischen Prinzipien in Passivhausbauweise mit Komfortlüftung ausgeführt. Die Deckenkonstruktion bestand aus Brettsperrholz mit einer Mittellage aus Kiefernholz. Nach Bezug trat ein für Innenräume untypischer Geruch auf. Formaldehydmessungen zeigten niedrige Werte, die Konzentrationen an Terpen-Kohlenwasserstoffen lagen jedoch in einem stark erhöhten Bereich (zu Beginn etwa 1500 µg/m³ bicyclische Terpene). Als Haupteintrittsweg der Terpene in die Raumluft im Erdgeschoß wurden die zylindrischen Bohrungen für die Deckenspots, die bis in die Mittellage der Brettsperrholzplatte reichten, identifiziert. Im Kinderzimmer im Obergeschoß traten die Terpene über die Randfugen in die Raumluft über. Die Messungen, die in einem Abstand von mehreren Monaten stattfanden, zeigten eine deutliche Abnahme der Konzentrationen, etwa 1,5 Jahre nach Bezug waren allerdings noch immer Konzentrationen deutlich über dem Richtwert I für bicyclische Terpene nachweisbar (0,2 mg/m³).

9.7.2. Hintergrund

Prinzipiell können in Innenräumen produzierte oder aus der Außenluft stammende Luftbestandteile wie Ozon und andere reaktive Verbindungen in der Gasphase oder an Materialoberflächen mit anderen Stoffen reagieren und neue Verbindungen erzeugen. Art und Menge dieser so genannten sekundären Emissionsprodukte sind von den Vorläufersubstanzen und den klimatischen Parametern abhängig. Zahlreiche im Innenraum gebräuchliche Produkte emittieren darüber hinaus herstellungsbedingt reaktive Verbindungen oder Sekundärprodukte. Solche Verbindungen können schon in niedrigen Konzentrationen durch ihre Geruchsintensität oder ihre irritative Wirkung das menschliche Wohlbefinden negativ beeinflussen.

Im Regelfall ist die Anwendung von Naturmaterialien bzw. traditionellen Konstruktionen mit keinen wie immer gearteten Raumluftproblemen oder gesundheitlichen Risiken verbunden. In ungünstigen Fällen können natürliche Baustoffe jedoch auch raumlufthygienische Probleme aufwerfen, wie beispielsweise bei Holzwerkstoffen. Es scheinen gerade diejenigen Personen am meisten auf Naturstoffe zu reagieren, die auch gegenüber synthetischen Chemikalien und klassischen Allergenen empfindlich sind – MCS-Patienten, Allergiker und Personen mit vorgeschädigtem Immunsystem.

Holz als Naturstoff emittiert abhängig von Art, Lage des Baumes und Lage des Werkstoffs innerhalb des Stamms unterschiedliche Mengen an Aldehyden und Terpen-Kohlenwasserstoffen (vor allem Pinene). Holzarten wie Kiefer oder Zirbe geben verglichen mit Fichte und Tanne deutlich höhere Mengen ab. Bei Brettsperrholzplatten als Wandbaustoff wird häufig Kiefernholz eingesetzt – in den ersten Monaten ist daher in dem Fall eine beträchtliche Abgabe an Terpenen und Aldehyden zu erwarten.

Informationen zum Richtwert für bicyclische Terpenkohlenwasserstoffe für Innenräume findet man in einer Publikation des „Ausschusses für Innenraumrichtwerte“ (ehemalige Ad-Hoc Arbeitsgruppe).

9.7.3. Abhilfe

Im konkreten Fall war die vorhandene mechanische Lüftungsanlage nicht in der Lage, die aus dem Holzwerkstoff abgegebenen Raumluftinhaltsstoffe ausreichend abzuführen – es ist daher vor allem die Quellstärke zu reduzieren. Dies kann durch Versiegeln von offenem Hirnholz und Abdichtmaßnahmen geschehen, was zu einer Verbesserung der Situation beiträgt. Bei Planung von Gebäuden ist darauf zu achten, dass für Wände und Decken von Innenräumen eingesetzte Brettsperrholzplatten frei von Kieferholz sind.

9.8. Polystyrolprodukte und Styrolgerüche

9.8.1. Fallbeispiel

Eine Familie bezieht ein neues Gebäude, in dem die Trittschalldämmung mit Polystyrolprodukten ausgeführt wurde. Auf Grund von Presseberichten und gesundheitlicher Bedenken der Nutzer wurde eine Raumluftmessung durchgeführt, bei der Styrol im Bereich des Richtwertes I (0,03 mg/m³) und deutlich unter dem mittleren Geruchsschwellenwert (> 0,2 mg/m³) nachgewiesen wurde. Es stellte sich die Frage, ob Handlungsbedarf besteht – es wurde verstärktes Lüften der Räume empfohlen. Nach einigen Wochen sank die Konzentration unter den Wert von 0,01 µg/m³.

9.8.2. Hintergrund

Styrol dient zur Herstellung von Polystyrol und von Copolymeren wie ABS-, BS-, und SAN-Kunststoffen (A bzw. AN = Acrylnitril, B = Butadien) sowie als Lösungsmittel und Reaktionspartner für ungesättigte Polyesterharze und -lacke. Die bekannteste Anwendung von Polystyrol im Baubereich sind Schaumstoffdämmplatten für Wärmedämmungen und für den Fußbodenbereich. Polyester wird im Sanierungsfall für Feuchteabdichtungen in Gebäuden eingesetzt.

Messungen zeigen, dass durch in der Fußbodenkonstruktion eingesetzte Styrolprodukte (Plattenwerkstoffe, Polystyrolbeton) nach der Verlegung zu Beginn geringfügig erhöhte Styrolkonzentrationen in der Innenraumluft entstehen können, die aber nach kurzer Zeit auf deutlich niedrigere Werte absinken. Schaumstoffdämmplatten für Wärmedämmungen im Fassadenbereich sind von der Innenraumluft durch die meist massive Wand oder durch Dampf- und Windsperren getrennt. In Einzelfällen konnte dennoch nachgewiesen werden, dass Styrol auch durch eine undichte Gebäudehülle aus Quellen im Außenraum in die Innenraumluft eintreten kann, eine maßgebliche Beeinflussung der Innenraumluft ist allerdings in der Regel nicht zu erwarten.

Langanhaltende Styrol-Emissionen wurden bei falsch durchmischten Feuchteabdichtungen auf Polyesterbasis festgestellt. Wenn derartige zweikomponentige, Styrol enthaltende Kunstharze zur Feuchteabdichtung nicht aushärten, sind auch noch nach Jahren erhöhte Konzentrationen in der Raumluft möglich.

Informationen zu den Richtwerten für Styrol für Innenräume findet man in einer Publikation des „Ausschusses für Innenraumrichtwerte“ (ehemalige Ad-Hoc Arbeitsgruppe).

9.8.3. Abhilfe

Hygienische Risiken entstehen durch übliche am Bau eingesetzte Polystyrolprodukte in der Regel nicht, es gibt daher keinen Handlungsbedarf. Bei dichten Gebäuden ist auch kein relevanter, länger andauernder Eintritt von Styrol aus Fassadendämmungen zu erwarten. Wer auch die am Beginn der Nutzung auftretenden, eher geringen Konzentrationen aus im Fußbodenbereich eingesetzten Plattenwerkstoffen oder Polystyrolbeton vermeiden möchte, kann andere Materialien für die Trittschalldämmung wählen.

Feuchteabdichtungen auf Polyesterbasis müssen fachgerecht verarbeitet werden (richtige Mischung der Einzelkomponenten), um länger andauernde Styrolemissionen zu vermeiden. Bei Auftreten des typischen, oft als chemisch bezeichneten Styrolgeruches ist in der Regel eine Raumluftmessung zur Abklärung der Situation sinnvoll.

10. Literatur

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BMLFUW (2014): Leitfaden Gerüche in Innenräumen. Sensorische Bestimmung und Bewertung. Erarbeitet vom Arbeitskreis Innenraumluft am BMLFUW. Internet vom 06.01.2017:    
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BMLFUW (2016): Positionspapier zu Verbrennungsprozessen und Feuerstellen in Innenräumen. Erarbeitet vom Arbeitskreis Innenraumluft am BMLFUW. Internet vom 06.01.2017: www.innenraumanalytik.at/pdfs/empfehlung_feuerstellen.pdf

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Tappler P, Damberger B (1998): Interzonaler Schadstofftransfer in Gebäuden als Ursache von Geruchsproblemen; Vorgehensweise, Einsatz der Tracergastechnik, Sanierung. VDI-Berichte 1373 „Gerüche in der Umwelt, Innenraum- und Außenluft“, Tagung Bad Kissingen, 4. – 6.3.1998: 489-500. Internet vom 06.01.2017: www.innenraumanalytik.at/pdfs/tracer1998.pdf

Tappler P, Muñoz-Czerny U, Damberger B, Hengsberger H, Ringer W, Twrdik F, Torghele K, Kundi M, Wanka A, Wallner P, Hutter HP (2014): Bewohnergesundheit und Raumluftqualität in neu errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern. FFG, 1. Ausschreibung NEUE ENERGIEN 2020 Projektnummer: 819037. Internet vom 06.01.2017: www.innenraumanalytik.at/pdfs/lueftung_2014.pdf

Tappler P, Muñoz-Czerny U, Damberger B, Twrdik F, Schlager R, Hutter HP (2015): Innenraumschadstoffe durch Verbrennungsprozesse: Ethanol- und Speicheröfen. Studie im Auftrag des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Internet vom 06.01.2017: www.innenraumanalytik.at/pdfs/verbrennung_innenraum.pdf

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UBA (2017): Ausschuss für Innenraumrichtwerte (vormals Ad-hoc-Arbeitsgruppe). Internet vom 06.01.2017: www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/kommissionen-arbeitsgruppen/ausschuss-fuer-innenraumrichtwerte-vormals-ad-hoc

Wilke O, Wiegner K, Jann O, Brödner D, Scheffer H (2012): Emissionsverhalten von Holz und Holzwerkstoffen. UBA-Texte 02/2012. Internet vom 06.01.2017: www.umweltbundesamt.de/publikationen/emissionsverhalten-von-holz-holzwerkstoffen