Raumluftmessung und Quellensuche

Wie läuft eine Raumluftmessung ab?

Vorbereitung der Raumluftmessungen auf VOC und Formaldehyde

Die VOC-Messungen werden sehr stark beeinflusst durch Aktivitäten kurz vor der Messung. Für alle raumluftrelevanten Tätigkeiten gilt, dass die Bauleitung die Einhaltung der Regeln kontrollieren muss. Lösemittelhaltige Produkte werden oft routinemäßig eingesetzt, ohne dass den Handwerkern bewusst ist, dass diese nicht erlaubt sind. Beispielsweise wird Aceton gerne zur Entfettung von Untergründen verwendet und fast jeder Handwerker hat in seiner Werkzeugkiste einen Klebstoff bereitliegen, um mal schnell eine Verbindung zu fixieren. Diese Klebstoffe sind oft lösemittelhaltig. Die Bauleitung muss hier aufklären und im besten Fall konkrete Alternativen anbieten, wie beispielsweise einen SMP-Kleber. Grundierungen und Abdichtungen sind ebenfalls ein Dauerbrenner, da die Standardprodukte durchwegs stark lösemittelhaltig sind. Wobei auch in diesen Produktgruppen für die meisten Anwendungsfälle Alternativprodukte verfügbar sind. Aus Erfahrung am schwierigsten zu ersetzen sind lösemittelhaltige Metalllacke. Falls nicht auf ein lösemittelhaltiges Produkt verzichtet werden kann, gibt es zwei Lösungsstrategien: Die Erste und bessere besteht darin, das Produkt außerhalb des Gebäudes zu verwenden, also z. B. Türzargen außerhalb des Gebäudes vorzulackieren, und dann das getrocknete Produkt zu verbauen. Die Zweite weniger empfehlenswerte besteht darin, lösemittelhaltige Produkte so früh als möglich im Bauablauf einzusetzen und eine genügend lange Trocknungszeit bei guter Belüftung zu gewährleisten, die durchaus einige Wochen betragen sollte, bevor das Produkt durch weitere Schichten überdeckt wird.

Ein weiteres Augenmerk sollte auf sich gegenseitig beeinflussende Tätigkeiten gerichtet werden. Gipserarbeiten können die Feuchtigkeit in den Räumen über mehrere Tage bis Wochen massiv erhöhen. Wenn parallel dazu Flüssigfolien oder Flüssigbeläge eingebracht werden sollen, kann es vorkommen, dass die Luftfeuchtigkeit über dem zulässigen Höchstwert für die Aushärtung der Kunststoffe liegt. Nicht vollständig reagierte Kunststoffbeläge oder -folien können dann zu massiven Emissionen führen, die nur durch Ersatz der betreffenden Baustoffe behoben werden können.

Auch Reinigungsmittel können kurzfristig die VOC-Konzentration massiv erhöhen. So geschehen bei einer Abnahmemessung in zwei EFH einer Reiheneinfamilienhaus-Siedlung. Die TVOC-Konzentrationen betrugen 11'590 und 5’150 µg/m3, wobei insbesondere der Duftstoff Limonen und eine ganze Reihe Lösemittel auffielen, die in Reinigungsmitteln vorkommen können. Eine Abklärung mit der Bauleitung ergab dann auch, dass vermutlich die Küchenabdeckungen aus Stein kurz vor der Messung gereinigt wurden.

Ausbesserungsarbeiten in der Woche vor der Messung sind unter allen Umständen zu unterlassen. Bei einer Abnahmemessung des Büros für Umweltchemie stellten wir eine TVOC-Konzentration von 7’780 µg/m3 fest. Also weit über dem Ausschlusswert des Bewertungssystems von 3'000 µg/m3. Die Einzelstoffanalyse zeigte eine n-Butylacetat-Konzentration von 2'000 µg/m3, Toluol- und Ethylacetat-Konzentrationen über 1000 µg/m3. Alle drei Stoffe kommen unter anderem in Lacken vor. Wie sich im Nachgang zur Messung zeigte, wurden größere Lackschäden in der Wohnküche kurz vor der Messung ausgebessert.

Abbildung 4: Ausbesserungsarbeiten an Lacken können zu massiven Emissionen führen

Für die Planung der Messungen ist mit der vorgesehenen Messfirma abzuklären, ob und wie viele Messungen sie parallel durchführen können und wie lange sie pro Messstelle benötigen. Dann sollte ein detaillierter Probenahmeplan abgesprochen werden, der folgende Angaben umfasst: In welchen Räumen wird gemessen? An welchen Daten sind die Messungen vorgesehen? Wie wird der Zugang zu den Räumen gewährleistet? Wer steht vor Ort bei Schwierigkeiten zur Verfügung und hat die nötigen Kompetenzen, um Zugangsprobleme oder Konflikte mit anderen Arbeitsgattungen zu lösen?

Messung der VOC und von Formaldehyd nach ISO-16000

Die VOC und Formaldehyd im Innenraum sind nach der DIN ISO-Normenreihe 16000 zu messen. Es gelten die Normen DIN EN ISO 16000-5 zur Probenahmestrategie, DIN ISO 16000-6 über die Bestimmung der VOC und DIN ISO 16000-3 zur Bestimmung von Formaldehyd. Die Vorbereitungsmaßnahmen für eine Messung werden in der ISO-Norm 16000-5 festgelegt. Es wird unterschieden zwischen natürlich belüfteten Räumen und Räumen mit Klimaanlage.

Für natürlich belüftete Räume gilt folgendes Verfahren: Die Räume werden zunächst während 15 Minuten intensiv gelüftet, dann alle Türen und Fenster verschlossen. Nach einer Wartefrist von ungefähr 8 Stunden wird die Probenahme im Raum vorgenommen, wobei Türen und Fenster bis nach Abschluss der Messung geschlossen bleiben. Falls Informationen zur Wirksamkeit einer Stoßlüftung erhalten werden sollen, werden alle Fenster und Türen des Raums nach Abschluss der ersten Messung während 5 Minuten geöffnet und danach wieder geschlossen. Eine Stunde später erfolgt dann eine zweite Probenahme. Falls Nutzungsanweisungen für einen natürlichen Raum vorliegen, erfolgt die Messung nach einem vollständigen und typischen Nutzungszyklus.

Für Räume, die über eine raumlufttechnische Anlage belüftet werden, gilt folgendes Vorgehen: Die Anlage muss entsprechend den üblichen Betriebsbedingungen spätestens 3 Stunden vor der Messung in Betrieb genommen werden. Der Betrieb der Anlage sollte aufgezeichnet oder gemessen werden.

Die Einhaltung dieser Bedingungen kann unter Umständen schwieriger sein, als es den Anschein macht. In der hektischen Abschlussphase können diverse andere Aktivitäten den Raumluftmessungen in die Quere kommen. Falls am Messtag auch die Brandschutzmaßnahmen getestet werden, kann der geforderte Regelbetrieb der RLT-Anlage nicht gewährleistet werden. Auch schon vorgekommen sind Stromunterbrüche während der Probenahme. Die betroffene Probe musste verworfen und eine neue genommen werden. Immer wieder werden kurz vor der Messung Fenster geöffnet, aus den unterschiedlichsten Gründen. Auch die Zugangskontrolle gestaltet sich sehr oft schwierig.

Die Probenahme selbst benötigt vor Ort zirka eine Stunde pro Messstelle. Der Zeitaufwand kann je nach Messfirma und der eingesetzten Probenahmeausrüstung von dieser Angabe abweichen. Vor Ort wird lediglich eine definierte Luftmenge über ein Probenahmeröhrchen gezogen. Dieses wird dann in einem Analyselabor ausgewertet. Unmittelbar nach Abschluss der Probenahme liegt somit noch kein Ergebnis vor und es kann noch keine Aussage erwartet werden, ob die Luftqualität den Anforderungen genüge oder nicht.

 

Quellensuche und Maßnahmen

Wenn die Messwerte zu hoch liegen, stellt sich die Frage nach den Quellen und den nötigen Maßnahmen, um die Konzentrationen in der Raumluft zu senken. In sehr vielen Fällen sinkt die Konzentration der VOC in der Raumluft mit der Zeit von selbst. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Stoffe aus Trocknungsprozessen stammen. Eine zweite Messung rund 30 Tage nach der ersten ergibt meistens viel niedrigere Konzentrationen, die in vielen Fällen bereits unproblematisch sind. Eine der erfolgversprechendsten Sanierungsmaßnahmen besteht also in Abwarten. Das Beispiel der Wohnküche zeigt dies exemplarisch: Die Schadstoff-Konzentrationen sanken nach der ersten Messung rasch. Bei Nachmessungen einen Monat später lag die TVOC-Konzentration noch bei 1'250 µg/m3. Dies ist immer noch kein Spitzenwert und zeigt, dass der Raum noch weitere Schadstoffquellen aufweisen muss. Jedoch ist die TVOC-Konzentration während eines Monats auf ein Sechstel gesunken.

Beispiel lösemittelhaltiger Lack

In einem zweiten Fall bestand die erfolgreiche Maßnahme in Abwarten, obwohl die Emissionsquelle materialisierungsbedingt war. Ein Schulhaus wurde kompletterneuert, wobei auch die Oberflächen in den Schulzimmern neu gestrichen wurden. Bei der Raumluftmessung auf VOC resultierte 30 Tage nach Abschluss der Arbeiten eine TVOC-Konzentration von 3'510 µg/m3. Die Palette der Stoffe im VOC-Gemisch war vielfältig und umfasste Aldehyde, Aromaten, Ketone und Terpene. Mögliche Quellen im Gebäude waren Holzöle, OSB-Platten, Parkettwachse, Klebstoffe oder Farben. Die Quellenanalyse aufgrund von Literaturdaten ergab also kein eindeutiges Ergebnis. Durch vertiefte Abklärungen der eingesetzten Produkte seitens der Bauherrschaft konnten dann zwei Metallsäulen eruiert werden, die mit einem Metalllack neu gestrichen wurden. Diese machten nur eine geringe Belegung im Raum aus. Für einen lösemittelhaltigen Metalllack kann jedoch mit so hohen Emissionen gerechnet werden, dass die festgestellte Belastung der Raumluft plausibel erschien. Bei der Nachmessung einen Monat später war die TVOC-Konzentration auf 1'770 µg/m3 gesunken, worauf die Bauherrschaft auf weitere Maßnahmen verzichtete.

Abbildung 5: Der Metalllack auf dieser Säule führte zu einer TVOC-Konzentration über 3 mg/m3

Beispiel Holzwerkstoffe

Auch Holzwerkstoffe können im Innenraum Probleme verursachen, wie sich an einem weiteren Beispiel aus der Praxis zeigte. Anlässlich der Immissionsmessung nach dem Umbau eines Kinderhorts mit einer hohen Belegungsdichte mit Holzwerkstoffen wurde dennoch eine Formaldehydkonzentration von 82 µg/m3 gemessen. Im BNB-Label würde ein solcher Messwert dazu führen, dass im Kriteriensteckbrief Innenraumlufthygiene nur noch Qualitätsniveau Null erreicht würde. Als Faustregel gilt für Holzwerkstoffe, dass eine Belegungsdichte über eins bei gleichzeitig geringem Luftwechsel zu problematischen Formaldehyd-Konzentrationen führen kann, selbst wenn Holzwerkstoffe mit geringen Emissionen verwendet werden. Im konkreten Fall waren Wände und Decken mit Holzwerkstoffen belegt und der Raum zum Messzeitpunkt bereits möbliert. Bei der Nachmessung einen Monat später hatte sich die Formaldehydbelastung halbiert auf noch 47 µg/m3. Die rasche Abnahme der Formaldehydkonzentration lässt den Schluss zu, dass die höheren Konzentrationen zu einem wesentlichen Teil durch das freie Formaldehyd verursacht wurde, das nach der Verleimung im Werk noch in den Holzwerkstoffen vorhanden war. Holzwerkstoffe wie z. B. Spanplatten oder MDF-Platten werden meist mit formaldehydhaltigen Kondensationsharzen verklebt. Diese Reaktion verläuft nie vollständig, wodurch in den Holzwerkstoffen noch freies Formaldehyd verbleibt, das dann relativ schnell aus den Werkstoffen austritt. Mithilfe der Luftfeuchtigkeit kann das Kondensationsharz jedoch auch wieder aufgebrochen werden und das enthaltene Formaldehyd wiederum als Gas vorliegen. Diese Rückreaktion führt dann zu langanhaltenden Formaldehydemissionen, die je nach verwendetem Klebstoff höher oder niedriger ausfallen können. Um im konkreten Fall eine Aussage über das mittelfristige Emissionsverhalten treffen zu können, müsste nach rund einem Jahr eine weitere Formaldehydmessung im betroffenen Raum erfolgen. Da die Konzentration bei der Nachmessung mit 47 µg jedoch bereits im unkritischen Bereich lag, konnte der Raum uneingeschränkt genutzt werden.

Beispiel Oberflächenbeschichtung Bodenbelag

Eine umfangreiche Quellensuche löste die Messung in einem Schulungsraum und dem darunterliegenden Großraumbüro einer größeren Firma aus. Der Anlaß für die Messung waren Beschwerden unter den Mitarbeitern, die über gereizte Atemwege und Augenbrennen am Arbeitsplatz klagten. Die Beschwerden traten nach einer Erneuerung des Innenausbaus auf. Die Raumluftmessung ergab eine TVOC-Konzen­tration im Schulungsraum über 5'000 µg/m3 und eine Xylol-Belastung über 2'000 µg/m3 – der Richtwert II für die Summe Xylole liegt bei 800 µg/m3. Für die Quellensuche stellte uns der Architekt die Sicherheitsdatenblätter aller verarbeiteten Produkte zu. Es zeigte sich, dass eine Staubschutzlasur auf dem Hartbetonbelag aufgebracht wurde, deren Lösemittel sehr gut zu den gemessenen Emissionen passten. Die Sanierungsempfehlung war, den gesamten Belag abzuschleifen und mit einem lösemittelfreien Produkt neu zu versiegeln. Der betroffene Unternehmer, der den Belag erstellt hatte, schlug daraufhin einen Verzicht auf das Abschleifen und stattdessen eine Grundreinigung vor. Nach seiner Meinung sollte diese genügen, um die Versiegelung zu entfernen. Dieser Unternehmervorschlag wurde akzeptiert und nach der Grundreinigung eine neue VOC-Messung im betroffenen Raum vorgenommen. Auch nach der Reinigungsmaßnahme lag die TVOC-Konzentration noch über 2'500 µg/m3, die Summe der Xylole war auf knapp unter 800 µg/m3 gesunken. Der Erfolg der Reinigung wurde als ungenügend beurteilt und der gesamte Boden abgeschliffen und neu versiegelt. Auf eine weitere Prüfmessung verzichtete der Auftraggeber, weshalb wir über keine Messdaten zum Erfolg dieser Maßnahme verfügen.

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Auszug aus:
Praxisbericht Innenraumluftmessung , Daniel Savi, Büro für Umweltchemie, Zürich, erstellt im Auftrag der Bayerischen Architektenkammer, 2016

Inhaltsverzeichnis

Nutzen einer Raumluftmessung
Was können wir im Innenraum messen?
TVOC, VOC, Formaldehyd - Zoo der Moleküle

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Woher stammen die Stoffe in der Luft?
Immissionsmessung vs. Emissionsquellen

von der Messung zu den Quellen, Emissionsrate, Luftwechsel und Belegungsdichte... → mehr

Kriterium Innenraumlufthygiene im BNB

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Wie läuft eine Raumluftmessung ab?
Beispiele für Quellensuche und Maßnahmen

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Literatur

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