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Fachartikel in WECOBIS - Biozide - Gesamttext

erstellt im Auftrag der Bayerischen Architektenkammer, 2015


 

Biozide - Strategien zur Vermeidung an Gebäuden

Daniel Savi, dipl. Umweltnaturwissenschafter ETH, Büro für Umweltchemie, Zürich
Matthias Klingler, dipl. Umweltingenieur EPF, Büro für Umweltchemie, Zürich
2015

 

Inhaltsverzeichnis

1 - Wann gedeihen unerwünschte Lebewesen auf und in Bauten?

2 - Welche Bauteile können durch Organismen besiedelt werden?

2.1 - Fassaden

2.2 - Flachdächer

2.3 - Nasszellen & kondensierende Feuchte

3 - Was sind Biozide?

4 - Welche Biozide werden am Bau eingesetzt?

4.1 - Fassaden

4.2 - Flachdächer

4.3 - Innenräume

4.4 - Flüssige und pastöse Produkte in allen Anwendungsbereichen

5 - Weshalb sollten Biozide vermieden werden?

6 - Welches sind die Alternativen?

6.1 - Fassaden

6.2 - Flachdächer

6.3 - Innenräume

7 - Hilfen für die Produktwahl?

7.1 - Produktdeklaration

7.2 - Wecobis

7.3 - Labels

8 - Literatur

8.1 - Weiterführende Dokumente

8.2 - Zitierte Quellen

 

Lexikonbegriffe zum Thema Biozide in WECOBIS

Biozid - Biozidprodukt, → Biozid-Verordnung, → Breitbandbiozide, → Algizide, → Fungizide, → Herbizide, → Topfkonservierer, → Filmschutzmittel / Beschichtungsschutzmittel, → Umweltbedingungen für das Algen- und Pilzwachstum

 

1 - Wann gedeihen unerwünschte Lebewesen auf und in Bauten?

Gebäude können einer Vielzahl von Lebewesen als Lebensraum dienen. Solange sich deren Zahl in Grenzen hält, ist die Besiedelung für den Menschen kaum störend. Erst bei massenhaftem Auftreten werden sie als Problem wahrgenommen. Zunächst lässt sich unterscheiden zwischen dem Befall von Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen durch Insekten und dem Bewuchs des Bauwerkes durch Algen, Pflanzen und Pilze. Gebäude können zum einen durch Algen oder Pflanzen bewachsen werden. Zum anderen können Pilze wachsen, typischerweise Schwärze- oder Bläuepilze auf Fassaden oder Schimmelpilze im Innenraum.

Biozide werden eingesetzt, um das Wachstum oder die Vermehrung von Organismen einzuschränken. Im Kontakt mit fließendem Wasser können Biozide in relevanten Mengen in die Umwelt ausgetragen werden. Dies ist beim Einsatz im Außenraum und in Nasszellen der Fall. Deshalb beschäftigt sich der vorliegende Text vor allem mit dem Schutz von Bauwerken vor dem Bewuchs durch Algen, Pilze und Pflanzen.

Wer sich mit dem Schutz von Bauwerken vor unerwünschtem Bewuchs befasst, sollte zunächst die Umstände verstehen, unter welchen ein Gebäude besiedelt werden kann. Allen Organismen ist gemeinsam, dass sie zum Wachstum genügend Wasser benötigen. Pflanzen benötigen zudem Licht, während Pilze organische Materie als Nährstoffe aus dem Untergrund herauslösen müssen. Für alle Mikroorganismen gilt, dass intensive UV-Strahlung wachstumshemmend wirkt.

Tabelle 1: Faktoren für den Bewuchs von Bauten
Umweltfaktoren Algen / Pflanzen Pilze
Wasser / Feuchtigkeit Nötig
Licht Nötig Nicht nötig
Organische Materie Nicht nötig Nötig
UV-Strahlung Hemmend

2 - Welche Bauteile können durch Organismen besiedelt werden?

2.1 - Fassaden

Fassaden können durch Algen oder Pilze besiedelt werden, falls das Wasserangebot an der Oberfläche für das Wachstum der Organismen ausreicht. Das Lichtangebot ist für Algen praktisch immer ausreichend. Das Nährstoffangebot für Pilze ist durch die heute in fast allen Produkten üblichen organischen Vergütungen nur selten limitierend. Das Wasserangebot ist dann ausreichend, wenn die Fassade im mittleren Tagesverlauf genügend lange feucht bleibt, bevor sie wieder abtrocknen kann. Die Merkblätter des UBA (UBA, 2014) enthalten umfangreiche Informationen zu den Faktoren, die zu einem Bewuchs von Fassaden führen können.

Abb.1: Die Faktoren, welche das Wasserangebot auf der Fassade bestimmen

Abbildung 1: Die Faktoren, welche das Wasserangebot auf der Fassade bestimmen

Das Wasserangebot auf Fassaden wird zum einen durch die Differenz der Fassadentemperatur zur Umgebungsluft und zum anderen durch die Luftfeuchtigkeit bestimmt. Die Fassadentemperatur gut isolierter Gebäude kann in klaren Nächten durch Abstrahlung wesentlich unter die Umgebungstemperatur fallen. Dadurch kondensiert die Luftfeuchte auf der Fassade. Im Tagesverlauf trocknet die Fassade dann wieder ab, wobei die Sonneneinstrahlung der entscheidende Faktor ist. Südexponierte Fassaden trocknen in unseren Breitengraden rascher ab als nord- oder westexponierte Fassaden. Beschattung durch Pflanzen führt ebenfalls zu einer langsameren Abtrocknung. Weiterhin tragen Regenfälle Wasser in die Fassade ein. Ein ausreichender Witterungsschutz reduziert diese Einträge. Die Entwässerung horizontaler Flächen und Dächer sollte so ausgeführt werden, dass die Abflüsse nicht über die Fassade erfolgen. Eine allgemein erhöhte Luftfeuchtigkeit in Gewässernähe oder auch in Nebelgebieten erhöht das Wasserangebot auf der Fassade ebenfalls.

2.2 - Flachdächer

Eine Begrünung von Flachdächern vermindert die Temperaturunterschiede in der Konstruktion im Tagesverlauf und vermindert die Empfindlichkeit gegenüber Windlasten. Zudem kann sie die Biodiversität im Siedlungsraum erhöhen. Diesen positiven Eigenschaften steht die potentielle Schädigung des Bauwerks durch eindringende Wurzeln gegenüber. Dieser muss durch eine wurzelfeste Konstruktion begegnet werden.

2.3 - Nasszellen & kondensierende Feuchte

In Nasszellen oder auf Oberflächen mit kondensierender Feuchte kann Schimmelpilzwachstum auftreten. Besonders anfällig sind Kittfugen, die den Pilzen die benötigten Nährstoffe bieten. In Nasszellen kommt es nutzungsbedingt zu einer regelmäßig erhöhten Luftfeuchtigkeit. Diese ist durch Lüften oder eine automatische Lüftung möglichst rasch aus dem Gebäude zu entfernen. Im Winter kann die Luftfeuchtigkeit zudem auf kalten Oberflächen – typischerweise Außenwänden – kondensieren. Besonders in schlecht isolierten Gebäuden sollte in der kalten Jahreszeit darauf geachtet werden, dass die Luftfeuchtigkeit nicht dauerhaft über rund 50 % liegt. An Außenwände sollten keine großen Möbel wie Schränke oder Gestelle gestellt werden. Durch die dadurch verminderte Luftzirkulation kann die Wand hinter diesen Möbeln stark abkühlen und dadurch dauernd feucht fallen. Die Folge ist oft ein großflächiger Schimmelbefall der Wand.

3 - Was sind Biozide?

Als Biozide werden im allgemeinen Sprachgebrauch Chemikalien bezeichnet, welche lebende Organismen bereits in relativ tiefen Konzentrationen abtöten. Gesetzlich wird der Begriff des Biozidprodukts in der Biozidproduktverordnung der EU (528/2012) definiert als "jeglichen Stoff (der) oder jegliches Gemisch (das) (...) dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen". Im Baubereich bedeutsame Biozide können eingeteilt werden in Pilzgifte (Fungizide), Algengifte (Algizide), Unkrautbekämpfungsmittel (Herbizide) und Insektengifte (Insektizide).

Biozide finden sich in Bauprodukten aus zwei Gründen: Zum einen werden sie eingesetzt, um die Produkte während der Lagerung vor Befall durch Mikroorganismen zu schützen. In diesem Fall spricht man von Topfkonservierung. Zum anderen soll das Produkt nach der Verarbeitung am Bauwerk vor Befall geschützt werden. Je nach Produkt spricht man dann von Beschichtungsschutzmitteln – auch als Filmschutzmittel bezeichnet – Holzschutzmitteln oder Schutzmitteln für Baumaterialien.

Alle Biozidprodukte benötigen eine europäische Zulassung oder eine Zulassung des Mitgliedsstaates der EU in dem das Produkt vertrieben werden soll, wobei für Biozidprodukte, die bereits vor dem Jahr 2000 am Markt erhältlich waren, ein Programm gemäß EU-Verordnung 1026/2014 zur Neuzulassung bis voraussichtlich 2024 läuft.

Biozidprodukte müssen auf dem Etikett unter anderem die enthaltenen Wirkstoffe mit deren Konzentration, ihre Zulassungsnummer und die zugelassenen Anwendungen ausweisen. Mit Bioziden behandelte Waren müssen dies auf dem Etikett ausweisen und die enthaltenen Wirkstoffe deklarieren. Zudem besteht eine Informationspflicht des Lieferanten gegenüber dem Verbraucher (Art. 58 der Biozid-Verordnung).

Weiterführende Informationen zu Bioziden bietet auch die Webseite des Umweltbundesamtes (UBA) an.

4 - Welche Biozide werden am Bau eingesetzt?

 Abb.2: Einsatzbereiche der unterschiedlichen Biozidkategorien am Gebäude
Abbildung 2: Einsatzbereiche der unterschiedlichen Biozidkategorien am Gebäude

4.1 - Fassaden

Biozide werden zum Schutz von Putzen und Farben vor dem Bewuchs durch Algen und Pilze eingesetzt. Die Biozide müssen auf der Oberfläche der Fassade präsent sein, um gegen Bewuchs wirken zu können. Eine Abschwemmung ist deshalb bereits funktionell unumgänglich. Eine verbesserte Einbettung der Biozide in den Produkten konnte die Abschwemmraten verringern, diese Technologie wird auf den Produkten als "verkapselte Biozide" angepriesen. Bei Holzbauteilen werden die verwendeten Biozide gerne als Bläueschutz bezeichnet. Diese kommen in Holzfenstern und je nach Ausführung in Konstruktionshölzern und auf Holzfassaden zur Anwendung.
Die als Biozide eingesetzten Wirkstoffe unterliegen einem raschen Wandel. Gemäß einer Herstellerbefragung aus dem Jahr 2013 werden am häufigsten Diuron, Terbutryn, 2-Octyl-3-Isothiazolinon (OIT) und Zinkpyrithion eingesetzt (Burkhardt et al., 2013). An dieser Stelle sei auch auf die Merkblätter des UBA zur Thematik verwiesen (UBA, 2014). Zudem bietet das ökologische Baustoffinformationssystem WECOBIS weitere Informationen über den Biozideinsatz in Bauproduktgruppen an. Besonders interessant sind die Ausschreibungshilfen, die Mustertexte für die Ausschreibung biozidfreier Produkte anbieten. Siehe dazu auch unter "Hilfen zur Produktwahl".

4.2 - Flachdächer

Auf Flachdächern mit Begrünung kann je nach gewählter Konstruktion eine Dichtungsbahn mit Wurzelschutz nötig sein. Polymerbitumenbahnen müssen mit einem Herbizid vor der Durchwurzelung geschützt werden. In den allermeisten Fällen wird der Wirkstoff Mecoprop eingesetzt, der über die Nutzungsdauer der Dachbahn teilweise ans Regenwasser abgegeben wird.

4.3 - Innenräume

Besonders zur Fugenabdichtung in Nasszellen und feuchten Innenräumen – jedoch nicht ausschließlich – werden Dichtstoffe mit zugesetzten Fungiziden eingesetzt. Diese Produkte werden beispielsweise als "pilzhemmend" oder "fungizid eingestellt" beworben.
Teppiche, Textilien und Dämmstoffe aus Naturfasern können durch Insektizide vor Fraßschäden geschützt sein. Motten sind der bekannteste Schadorganismus für Textilien und können beispielsweise auch in Schafwolledämmung auftreten. Da diese Anwendungen im Trockenbereich erfolgen, stellt die Auswaschung der Biozide in die Umwelt im allgemeinen kein Problem dar. Vorsicht kann bei intensivem direktem Kontakt – zum Beispiel während der Verarbeitung – oder direkter Aufnahme über den Mund – zum Beispiel durch Säuglinge – geboten sein.

4.4 - Flüssige und pastöse Produkte in allen Anwendungsbereichen

Vor allem in flüssigen oder pastösen Produkten mit organischen Inhaltsstoffen werden Topfkonservierungsmittel verwendet. Die Topfkonservierungsmittel schützen die Produkte während der Lagerung vor dem Befall durch Mikroorganismen. Die Konzentrationen sind durchweg tiefer als bei den Schutzmitteln, die nach der Verarbeitung am Bau wirken sollen. Durch den verbreiteten Einsatz liegen die Verbrauchsmengen jedoch etwa im gleichen Bereich wie für die Beschichtungsschutzmittel (Kasser et al., 2015).

5 - Weshalb sollten Biozide vermieden werden?

Nach Regenereignissen kann in den Gewässern des Siedlungsraums eine erhöhte Biozidkonzentration festgestellt werden. Diesen Zusammenhang stellt eine Studie der Eawag für das Herbizid Mecoprop her, das auf Flachdächern eingesetzt wird (Wittmer, 2009). Auch aus Fassaden werden Biozide nachweislich ausgewaschen. In einer Feldstudie an zwei Einfamilienhäusern zeigte sich, dass die Biozide vor allem während der ersten zehn Regenereignisse ausgewaschen wurden, danach wurden nur noch geringe Biozid-Mengen im Abwasser gefunden (Breuer et al., 2012b). Untersuchungen unterschiedlicher Putze auf einem Teststand zeigten eine vergleichbar starke Auswaschung in den ersten drei Monaten (Breuer et al., 2012a). Dieselbe Studie stellt zudem fest, dass ein erheblicher Abbau der Biozide auf der Fassade selbst erfolgt, dessen Mechanismen noch nicht geklärt sind.
Dichtstoffe in Nasszellen stehen regelmäßig mit fließendem Wasser in Kontakt. Dabei werden die Biozide aus den Dichtmassen ins Abwasser ausgetragen. Ein Teil dieser Wirkstoffe gelangt in die natürlichen Gewässer wo sie ihre Giftwirkung gegenüber den aquatischen Lebewesen entfalten.

6 - Welches sind die Alternativen?

6.1 - Fassaden

Fassadensysteme mit vermindertem Feuchteangebot

Um das Algen- oder Pilzwachstum auf der Fassade zu verringern, kann eine Konstruktion so ausgeführt werden, dass sich weniger Tauwasser bildet oder sich bildendes Tauwasser nicht an der Oberfläche verfügbar ist. Geeignete Konstruktionen sind Dachüberstände oder Auskragungen, um die nächtliche Auskühlung der Fassade gering zu halten.

Eine technische Lösung, die sich in ersten Anwendungen zu bewähren scheint, sind hydrophile Dickschichtputze. Diese sind gegenüber der Oberflächenfeuchtigkeit nicht vollständig undurchlässig. Dadurch können sie die anfallende Feuchte aufsaugen und bei trockenen Verhältnissen wieder abgeben. Das Wasserangebot an der Oberfläche wird so reduziert. Eine große Masse außerhalb der Dämmschicht verhält sich gegenüber der Auskühlung träger als eine kleine Masse. Dieses Prinzip kann genutzt werden, indem zum Beispiel ein Zweischalenmauerwerk ausgeführt wird, das während der Nacht auf der Außenseite weniger abkühlt als beispielsweise ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS).

Geplante Bewitterung

Aus Sicht der Bauteilfunktion hat ein Befall mit Algen und Pilzen im Außenraum meist keine Nachteile. Die Problematik stellt sich aus optischer Sicht. Ein Verständnis des Bewuchses als Teil der Ästhetik des Bauwerks sollte deshalb als Möglichkeit nicht außer Acht gelassen werden. Breit akzeptiert ist die typische Schwarzfärbung unbehandelter Holzfassaden ,eine Folge des Bläuepilz-Wachstums. Eine Holzfassade, die nach Regenereignissen vollständig abtrocknen kann, kommt ohne chemische Schutzmittel aus, falls die erwähnte Verfärbung als Teil der Ästhetik des Gebäudes akzeptiert wird. Auch für verputzte Fassaden ist durch stimmige Farbgebung oder bewusste Lenkung der Witterungseiflüsse eine Einbettung eines möglichen Bewuchses in die Gestaltung denkbar. Großflächig begrünte Fassaden sind ebenfalls ästhetisch weniger anfällig auf den Bewuchs durch Mikroorganismen.

Vorvergraute Holzfassaden

Eine werkseitige Vorvergrauung des Holzes kann genutzt werden, um bereits zum Zeitpunkt der Erstellung die verwitterungstypische Holzfärbung zu erhalten. Grundsätzlich ist eine Vorvergrauung ein Anstrich, der jedoch über die Zeit durch die natürlich Vergrauung des Holzes ersetzt wird und somit nicht erneuert werden muss. Heute angeboten werden lasierte oder hochdruckimprägnierte Hölzer. Als Nischenprodukt im Hochpreissegment sind auch beschleunigt natürlich vorvergraute Hölzer erhältlich. Spätere Farbunterschiede zwischen stärker bewitterten und weniger bewitterten Bereichen fallen durch die Vorvergrauung weniger stark aus. Werden vorvergraute Hölzer verwendet, ist darauf zu achten, dass eine Vorvergrauung ohne Bläueschutz (Fungizid) verwendet wird.

Verkapselte Biozide

Falls nach Prüfung aller Alternativen dennoch Produkte mit Beschichtungsschutzmitteln eingesetzt werden müssen, sollten nur Produkte mit verkapselten Bioziden verwendet werden, die im Vergleich zu herkömmlichen Produkten mit Beschichtungsschutz einen deutlich geringeren Biozidaustrag in die Umwelt aufweisen. Eine Feldstudie an zwei baugleichen Einfamilienhäusern verglich die Abschwemmraten verkapselter und unverkapselter Biozide (Breuer et al., 2012b). Aus der Fassade mit dem verkapselten Biozide wurden nur 10 % der Wirkstoffmenge ausgewaschen, die aus der Fassade mit unverkapseltem Biozid ausgewaschen wurde (Abbildung 3).

Abb.3: Austragsvergleich Biozide
Abbildung 3: Austragsvergleich Biozide

6.2 - Flachdächer

Wenn eine Begrünung des Daches vorgesehen ist, sollten keine Dichtungsbahnen oder Schutzschichten mit chemischem Wurzelschutz verwendet werden. Eine mögliche Alternative sind Polyolefin-Dichtungsbahnen, die ohne chemischen Wurzelschutz auskommen oder eine zusätzliche wurzelfeste Schutzschicht über der Abdichtungsbahn.

6.3 - Innenräume

Für jeden Anwendungsbereich sind biozid-freie Alternativen verfügbar. Im Trockenbereich ist eine Biozid-Ausrüstung nicht nötig. Im Nassbereich können MS Hybrid-Dichtstoffe eingesetzt werden. Sie sind ohne Biozidausrüstung bereits resistent gegen Bewuchs durch Mikroorganismen. Synonym zu MS Hybrid werden auch die Begriffe MS Polymer, Polyoxypropylen, silanmodifizierter Polyether (SMP) oder silanterminierter Polyether (STPE) verwendet. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Wecobis-Webseite in der Produktgruppe der Abdichtungen/Dichtmassen.

7 - Hilfen für die Produktwahl

7.1 - Produktdeklaration

Biozidprodukte müssen auf dem Etikett unter anderem die enthaltenen Wirkstoffe mit deren Konzentration, ihre Zulassungsnummer und die zugelassenen Anwendungen ausweisen. Mit Bioziden behandelte Waren müssen dies auf dem Etikett ausweisen und die enthaltenen Wirkstoffe deklarieren. Zudem besteht eine Informationspflicht des Lieferanten gegenüber dem Verbraucher (Art. 58 der Biozidverordnung).

Auf den Gebinden von Farben und Putzen sind folgende Bezeichnungen üblich:

  • „Filmgeschützt", „enthält Filmschutzmittel", „Schutz gegen Algen und Pilze"
  • GISCODE/Produktcode mit nachgestelltem „F"
  • In der Deklaration der Zusammensetzung sind Biozide aufgeführt.

Mauerschutzmittel, Desinfektionsmittel und Grünalgenentferner sind wie folgt zu erkennen:

  • An der Zulassungs-Nr. (zum Beispiel DE-000XXXX-000X)
  • Ansonsten der Registrierungs-Nr. (ein „N" mit 5-stelligen Zahlencode)
  • In der Deklaration der Zusammensetzung sind Biozide aufgeführt.

Siehe dazu auch die Merkblattreihe des UBA (UBA, 2014), insbes. Merkblatt 4.

7.2 - WECOBIS

Das ökologische Baustoffinformationssystem WECOBIS bietet Hilfen zur Produktwahl in den Datenblättern zu den Produktgruppen sowie mittels Ausschreibungshilfen, die auch konkrete Ausschreibungstexte anbieten. Für das biozid-freie Bauen interessante Bauproduktgruppen und zugehörige Ausschreibungstexte sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Die Ausschreibungshilfen enthalten Mustertexte für die Ausschreibung biozid-freier Produkte ab dem Reiter für das jeweils genannte Qualitätsniveau.

Bauproduktgruppe Planungs- und Ausschreibungshilfe Textbausteine für biozidfreie Produkte ab Qualitätsniveau (QN)
Oberflächenbehandlungen / Farben, Lacke, Lasuren Außenwandfarben QN4
Lacke, Lasuren, Beizen inkl. Grundbeschichtungen QN5 (mit Ausnahme bestimmter Topfkonservierer)
Dichtungen, Abdichtungen Polymerbitumendichtungsbahnen QN3 (gilt nicht für Gründächer)
Bodenbeläge Textile Bodenbeläge QN2: Beschränkung der bioziden Ausrüstung, der Einsatz des Mottenschutzmittel Permethrin wird im Ausschreibungstext erlaubt.

7.3 - Labels

Das Label "Blauer Engel" schließt Biozide für diverse Produktgruppen aus oder schränkt deren Verwendung ein. Für den Baubereich relevant sind die Folgenden:

Das NaturePlus-Label verbietet Biozide als Beschichtungsschutzmittel für eine Reihe von Produktgruppen. Als Topfkonservierungsmittel sind Biozide erlaubt. Das Verbot gilt für folgende relevanten Produktgruppen:

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft vergibt GISCODEs für Bauproduktgruppen mit vergleichbaren Gesundheitsgefährdungen und damit identischen Schutzmaßnahmen. Der Biozidgehalt ist üblicherweise kein Kriterium für die Vergabe von GISCODES, mit Ausnahme der Bläuewidrigen Anstrichmittel mit den GISCODEs M-BA01 & M-BA02.

8 - Literatur

8.1 - Weiterführende Dokumente

UBA (Hrsg.) (2014) Merkblätter 1-5, Entscheidungshilfen zur Verringerung des Biozideinsatzes an Fassaden. Umweltbundesamt, Berlin. (Download)

Website Umweltbundesamt UBA / Informationen zu Bioziden

Die neue Biozid-Verordnung – Was ist neu?, Hintergrundpapier, UBA, September 2012 (Download)

Biozid-Portal / UBA

Datenbank "Informationen zu bestimmten Biozidprodukten" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin baua:

Informationen zu zugelassenen bioziden Wirkstoffen auf der Website der Europäischen Chemikalienagentur ECHA

Norm zum konstruktiven Holzschutz: DIN 68800-2

8.2 - Zitierte Quellen

K. Breuer, W. Hofbauer, N. Krueger, F. Mayer, C. Scherer, R. Schwerd & Sedlbauer (2012a) Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit von Bioziden in Bautenbeschichtungen. Bauphysik, 34(Heft 4), 170–182. doi:DOI: 10.1002/bapi.201200021

K. Breuer, F. Mayer, C. Scherer, R. Schwerd & K. Sedlbauer (2012b) Wirkstoffauswaschung aus hydrophoben Fassadenbeschichtungen: verkapselte versus unverkapselte Biozidsysteme. Bauphysik, 34(Heft 1), 19–23.

M. Burkhardt & C. Dietschweiler (24. April 2013) Mengenabschätzung von Bioziden in Schutzmitteln in der Schweiz. Hochschule für Technik Rapperswil.

U. Kasser, D. Savi & M. Klingler (Juli 2015) Ökobilanzierung der Nutzungsphase von Baustoffen - Schlussbericht. Zürich: Fachstelle nachhaltiges Bauen, Stadt Zürich - Baudirektion, Kanton Zürich - Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern.

UBA (Hrsg.) (2014) Merkblätter 1-5, Entscheidungshilfen zur Verringerung des Biozideinsatzes an Fassaden. Umweltbundesamt, Berlin.

I. Wittmer (Juni 2009) Dynamik von Biozid- und Pestizideinträgen. Eawag News, 67d.