Mineralische Bindemittel im Bestand

Produktgruppeninformation

   
  Welche Inhalte findet man in den Datenblättern zum Bestand in WECOBIS? Was ist der Unterschied zu den Standard-Datenblättern? Inhalt aufklappen
 

In den Standard-Datenblättern in WECOBIS findet man Informationen zu aktuell am Markt befindlichen Bauprodukten. Da es sich bei diesen aktuellen Produkten für den Neubau in aller Regel nicht um dieselben handelt, die man im zur Renovierung anstehenden Bestand vorfindet und die z.B. einem Schadstoffkataster gemäß BNB-Kriteriensteckbrief BK_1.1.6 zugeordnet werden müssen, wurde die Trennung der Materialgruppen Neubau - Bestand in WECOBIS vorgenommen. Die Darstellung in WECOBIS folgt hier jedoch nicht der üblichen Darstellung mit Lebenszyklus, sondern beschränkt sich auf die für Renovierungsmaßnahmen relevanten Informationen.

Im Bestand können sich unterschiedliche ältere Baumaterialien befinden, die nicht mehr auf dem Markt sind, aber nach wie vor mit Schadstoffen belastet sind. Diese können bereits durch ihr Vorhandensein, aber insbesondere bei unsachgemäßer Bearbeitung, Rückbau (Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz) und bei der Beförderung bis zur Annahmestelle (Entsorgungsanlage) sowohl die Gesundheit als auch die Umwelt gefährden.
In WECOBIS beschränken sich die Informationen an dieser Stelle auf Hinweise zu solchen Schadstoffen, die in der jeweiligen Produktgruppe in der Bausubstanz auftreten können. Dies soll als Orientierungshilfe dienen, kann jedoch eine fachliche Abklärung vor Ort durch einen entsprechenden Sachverständigen nicht ersetzen.

Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) stellt auf seiner Website bereits eine sehr gute Arbeitshilfe für den kontrollierten Rückbau kontaminierter Bausubstanz, den Schadstoffratgeber Gebäuderückbau, zur Verfügung. Das kostenlose Online-Informationssystem bietet zahlreiche Informationen zur Erkundung, Bewertung und Entsorgung von schadstoffhaltigen Baustoffen. Auf die dort geführte umfangreiche Sammlung von Datenblättern wird an den jeweiligen Stellen verwiesen.

  Übersicht zur allgemeinen Vorgehensweise bei Verdachtsmomenten. Inhalt aufklappen
 

1. Gebäudebegehung durch sachkundige Personen
2. Repräsentative Probenahme und Analyse verdächtiger Materialien, des Hausstaubs
    und/oder der Raumluft
3. Erstellung eines Schadstoffkatasters und eines Sanierungskonzepts
4. Durchführung der Sanierung und Kontrolle des Sanierungserfolgs
5. Entsorgung des schadstoffbelasteten Materials

  Infos zur Schadstoffanalyse des Bestandes. Inhalt aufklappen
  Da eine Unterscheidung schadstoffhaltiger und schadstofffreier Baustoffe in der Regel schwierig sein wird, muss im Zweifel von einer Schadstoffbelastung ausgegangen werden und die (eventuell) kontaminierten Bauteile untersucht und beprobt werden.

Einen ersten Anhaltspunkt, ob schadstoffhaltige Baustoffe verwendet worden sind, liefert das Baujahr des Gebäudes und die Zeiträume, in denen Umbauten, Sanierungen und Einbauten vorgenommen worden sind, da die gesundheitsgefährdenden und inzwischen verbotenen Schadstoffe jeweils in bestimmten Zeiträumen verbaut wurden.

Eine Bestandsanalyse mit qualifizierten Beprobungen und Beurteilungen kontaminierter Gebäudeteile durch eine sachverständige Person gibt genauere Auskunft und sollte frühzeitig vor der Bearbeitung, dem Rückbau bzw. der Entsorgung alter Baumaterialien durchgeführt werden.
Broschüre "Schadstopp" des Gesamtverbands Schadstoffsanierung e.V. mit Basisinformationen zu den häufigsten Gebäudeschadstoffen
  Liste von Schadstoffen, deren Einsatz für Neubauten und bei der Sanierung des Bestandes bereits verboten ist oder in absehbarer Zeit in der Bundesrepublik Deutschland verboten sein wird. Inhalt aufklappen
   
Asbest 1877 Beginn der industriellen Verwendung
1969 (DDR) und 1979 (BRD) Verbot von Spritzasbest

1982 Herstellungs- und Verwendungsverbot von asbesthaltigen Bodenbelägen
1984 Verbot schwachgebundener Asbestprodukte im Baubereich und in Nachtspeichergeräten
1992 Verbot von Asbestzementplatten im Hochbau

1995 endgültiges Herstellungs-, Inverkehrbringens- und Verwendungsverbot in Deutschland
2005 Herstellungs- und Verwendungsverbot von asbesthaltigen Materialien in Europa
PCB 1955 Beginn der Anwendung im Bauwesen (nur BRD)
1978 Verwendungsverbot in offenen Systemen
1989 Verbot der Verwendung und des Inverkehrbringens PCB-haltiger Produkte
PCP 1930er Jahre Verwendung als Fungizid
1989 Herstellungs-, und Verwendungsverbot
Lindan 1940er Jahre Verwendung als Fungizid
1984 (BRD) und 1989 (DDR) Herstellungsstopp
2008 EU-weites Verbot
DDT 1939 Verwendung als Holzschutzmittel
1972 (BRD) und 1990 (DDR) Herstellungs- und Verwendungsverbot
PAK 1838 Erster Einsatz von Teerölen als Holzschutzmittel
1991 Verbot zur Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung von Teerölen (Teerölverordnung)
2009 Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung  von Teerölen in der EU
„Alte“ KMF 1930er Jahre erster Einsatz in Deutschland
2000 Herstellungs- und Verwendungsverbot
Blei

Verwendung seit der Antike
1973 Verwendungsverbot von Bleirohren (ab 1.12.2013 verschärfter Grenzwert für Trinkwasser: Trinkwasserverordnung 2013)
1989 Verbot von Bleiweiß
2012 Verbot Bleimennige als Rostschutz
2015 Verbot von Blei bei der PVC-Produktion

2023 Verbot von Inverkehrbringen bleihaltiger PVC-Produkte in der EU
FCKW

1930er Jahre Einsatz von FCKW als Kältemittel

2000 Inverkehrbringungs- und Verwendungsverbot für FCKW
2001 Verwendungsverbot für teilhalogenierte FCKW in allen Kälte- und Klimaanlagen, ab 2002 in allen fest eingebauten Klimaanlagen < 100 kW
bzw. ab 2004 in allen kombinierten Klimaanlagen- und Wärmepumpensystemen
2010 Verwendungsverbot für unverarbeitete teilhalogenierte FCKW zur Instandhaltung / Wartung bereits existierender Kälte- und Klimaanlagen
2015 Verbot aller teilhalogenierten FCKW
HBCD Ca. seit den 1970er Jahren Einsatz als Flammschutzmittel
2017 als Flammschutzmittel in EPS/XPS-Dämmstoffen
→ LFU Bayern, Schadstoffratgeber Gebäuderückbau, Suchregister, Stoffdaten
  Übersicht zu den Risiken durch schadstoffbelastete Bauprodukte. Inhalt aufklappen
 

Risiken durch das Vorhandensein von schadstoffbelasteten Bauprodukten

Je nach Art der Schadstoffbelastung kann die Innenraumluft durch lungengängige Fasern oder gas- bzw. dampfförmige Chemikalien Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit haben.

Ob die Innenraumluft belastet ist, kann durch eine Innenraumluftmessung festgestellt werden. Die ermittelten Innenraumluftwerte können mit den vom Umweltbundesamt im Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) festgelegten Werten verglichen werden und so eine gesundheitliche Beurteilung von Konzentrationen einer Chemikalie in der Innenraumluft ermöglichen.

Risiken bei der Bearbeitung und dem Rückbau von schadstoffbelasteten Bauprodukten

Bei Abbruch- und Rückbauarbeiten oder auch beim Bearbeiten von Bauteilen (schleifen, fräsen o.ä.) sind inhalative Gefahren von großer Bedeutung. Neben hoher gesundheitsgefährdender Staubentwicklung kommt es bei schadstoffbelasteten Bauprodukten noch zu einem zusätzlichen Gefährdungspotenzial durch stofflich oder biologische Kontaminationen. Bei Tätigkeiten mit solchen Kontaminationen kann sich für den Bearbeiter ohne Einhaltung der erforderlichen Schutzmaßnahmen ein hohes Gesundheitsrisiko ergeben.

Daher sollten Arbeiten an schadstoffbelasteten Bauprodukten nicht von Privatpersonen ohne die entsprechende Fachkenntnis zum Arbeits- und Gesundheitsschutz durchgeführt werden.

Risiken durch unsachgemäße Beförderung zur Abfallentsorgungsstelle

Gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ist primär derjenige Abfallerzeuger, durch dessen Tätigkeit die Abfälle erzeugt werden. Das kann der Bauunternehmer sein, der den Baustoff ausbaut. Aber auch der Bauherr kann als privater Abfallerzeuger auftreten, wenn er den Baustoff selbst ausbaut zur Entsorgungsstelle bringt oder den Bauunternehmer nicht damit beauftragt hat.

Der Abfallerzeuger haftet für die ordnungsgemäße und schadlose Entsorgung von Abfällen. Er ist auch dafür verantwortlich, dass diese entsprechend der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) und dem dazu gehörigen Regelwerk richtig deklariert und seiner Schadstoffbelastung entsprechend eingestuft werden.

Für die korrekte Deklaration und Einstufung der Abfallarten stehen dem privaten Abfallerzeuger die Abfallberater der Städte und Kommunen zur Beratung zur Verfügung.

Verdachtsmomente für Schadstoffe in der Altbausubstanz

Detaillierte Informationen zu den einzelnen Schadstoffen siehe jeweiliger Link zum WECOBIS-Lexikon.

Schadstoffgruppen möglicherweise schadstoffbelastete Baustoffe im Bestand im Bereich mineralische Bindemittel
Asbest / schwach gebunden Gips1, Magnesia1, Zement1
Asbest / fest gebunden Gips1, Magnesia1, Zement1
Alte Künstliche Mineralfasern KMF Gips1, Magnesia1
Blei

Gips2, Zement2

Tabelle 1.1.9: Übersicht Schadstoffgruppen und möglicherweise schadstoffbelastete Baustoffe im Bestand
1als Armierungsfaser in mineralischen Baustoffen, die mithilfe des mineralischen Bindemittels hergestellt werden
2Rückstände aus Sekundärrohstoffen, die zur Herstellung des Bindemittels verwendet werden

Gips

Von Naturgips sind keine Belastungen durch die o. g. Schadstoffe bekannt.

Phosphorgips entsteht als Nebenprodukt der Phosphorsäureerzeugung im Nassverfahren durch Reaktion von Phosphaterzen mit Schwefelsäure. Phosphaterze können erhöhte Urankonzentrationen aufweisen und damit zu einer erhöhten Radioaktivität des Phosphorgipses führen [Zwiener/Mötzl] [dgaw.de]. Aktuell wird Phosphorgips von der Gipsindustrie aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht genutzt [gips.de]. Für den Bestand ist im Einzelfall abzuklären, ob Phosphorgips eingesetzt wurde und ob davon eine erhöhte Radioaktivität ausgeht. Details siehe → Radioaktivität.

In Gipsspachtelmassen, die zur Stoßüberdeckung und zur flächigen Glättung bei Gipsplatten verwendet wurden, kann Asbest enthalten sein. Künstliche Mineralfasern können Bestandteil von Gipsplatten sein [Bossemeyer]. Details siehe → Putzmörtel und → Datenblatt 434 Putze sowie → Bauplatten aus Gips und → Datenblatt 402 Bauplatten.

Magnesia

Von Magnesia sind keine Belastungen durch die o.g. Schadstoffe bekannt [Zwiener/Mötzl].

Leichtbauplatten mit dem Handelsnamen Sokalit enthalten neben Magnesiumoxid als Bindemittel künstliche Mineralfasern und Asbest [Zwiener/Mötzl]. Details siehe → Bauplatten aus Gips und → Datenblatt 402 Bauplatten

Magnesiaestriche wurden mit wechselnden Anteilen von Asbest und Holzfasern hergestellt und insbesondere in Industriegebäuden und Lagerhäusern eingesetzt [Berg]. Details siehe → Estriche und → Datenblatt 414 Estriche.

Sonderanwendung von Magnesit (Ausgangsmaterial zur Herstellung von Magnesia): In Nachtspeicheröfen eingesetzte Speichersteine aus Magnesit enthalten Chrom(III)-oxid, das durch den Betrieb des Ofens sukzessive in Chrom(VI)-oxid umgewandelt wird. Gesundheitliche Belastungen können durch Chrom(VI)-oxid (siehe → Chrom) im Zusammenhang mit Feuchte und bei direktem Hautkontakt entstehen. Abhängig vom Herstellungszeitraum können Nachtspeicheröfen zudem schwachgebundenes Asbest in Form von Dicht-, Dämm- oder Isoliermaterial und im Bereich der Regler PCB enthalten. Der unsachgemäße Ausbau ist daher unbedingt zu vermeiden [abfallratgeber.bayern.de]. Details siehe auch → Datenblatt 413 Elektrospeicher-Heizgeräte.

Zement

Flugasche und Hüttensand werden als Zusatzstoffe in Zement eingesetzt. Flugasche entsteht bei der Verbrennung von Kohle und wird über Abscheider aus den Rauchgasen von Feuerungsanlagen, z.B. von Kohlekraftwerken gefiltert. Kohle enthält je nach Herkunft unterschiedlich hohe Anteile natürlicher radioaktiver Bestandteile, die aufgrund des Verbrennungsprozesses in konzentrierter Form in der Flugasche vorliegen. [Zwiener/Mötzl] [bund-nrw.de] Hüttensand ist granulierte Hochofenschlacke, ein Nebenprodukt der Roheisenherstellung. Aus Flugasche und Hüttensand können Schwermetalle im Zement eingebunden sein (siehe auch → Schwermetalle und → Datenblatt 515 Schwermetalle).

Unter die Bezeichnung Asbestzement fällt eine Vielzahl asbesthaltiger, zementgebundener Bauprodukte wie z.B. Bauplatten, Fassadenplatten oder Dacheindeckungen. In der Regel zählen diese zu den festgebundenen Asbestprodukten, von denen im Gegensatz zu schwachgebundenen keine unmittelbare Gefahr ausgeht, sofern sie unbeschädigt sind. Zu den schwachgebundenen Asbestprodukten zählen z.B. Spritzputze oder andere zementhaltige Putze. Details siehe die jeweiligen Bauproduktgruppen bzw. → Asbest, → Datenblatt 501 Asbest

Quellen

Hans-Dieter Bossemeyer in: Schadstoffe in Innenräumen und an Gebäuden, Gesamtverband Schadstoffsanierung (Hrsg.), Köln, Müller, 2010

Andreas Stache in: Schadstoffe in Innenräumen und an Gebäuden, Gesamtverband Schadstoffsanierung (Hrsg.), Köln, Müller, 2010

Gerd Zwiener/Hildegund Mötzl, Ökologisches Baustofflexikon, C. F. Müller Verlag, Heidelberg, 2006

Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft e.V., Rohstoffe aus Abfällen – Rückgewinnung von Gips aus Gipsabfällen und synthetischen Gipsen, abgerufen unter dgaw Arbeitspapier Rückgewinnung von Gips (Online-Quelle), abgerufen am 03.12.2014

Gips-Datenbuch, Bundesverband der Gipsindustrie e.V., abgerufen unter gips Gipsdatenbuch 2013 (Online-Quelle), abgerufen am 03.12.2014

Alexander Berg, Gesamtverband Schadstoffsanierung (Hrsg.), Schadstoffe in Innenräumen und an Gebäuden, Köln, Müller, 2010

abfallratgeber.bayern Elektrospeichheiz (Online-Quelle), abgerufen am 03.12.2014

bund-nrw Radioaktivitaet aus Kohlekraftwerken (Online-Quelle), abgerufen am 03.12.2014

Mineralische Bindemittel im Bestand
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