Infoblatt Nutzestrich

Produktgruppeninformation

Begriffsdefinition

Nutzestriche sind eine Sonderform der → Estriche, auf die kein Bodenbelag aufgebracht wird. Der Estrich bildet dann gleichzeitig die fertige Fußbodenoberfläche. Andere Bezeichnungen für „Nutzestrich“ sind „Sichtestrich“ oder "Designestrich", wobei der Begriff „Sichtestrich“ eher für Nutzestriche im Innenbereich von Wohngebäuden verwendet wird. „Industrieestriche“ sind direkt genutzte Estriche für besonders hohe Beanspruchungen, die in DIN 18560-7 geregelt und hier nicht behandelt werden.

Eine seit der Antike bekannte Spezialform eines begehbaren Bodens ist der Terrazzo. Terrazzo zählt allerdings nicht zu den Estrichen, sondern ist ein Beton. Er wird – in der Regel zweischichtig – vor Ort eingebracht. Nach dem Verlegen wird der Belag verdichtet, geschliffen, gereinigt, gespachtelt und erneut geschliffen. Dieser Vorgang kann mehrmals wiederholt werden. Für die Einpflege wurde traditionell ein in Terpentin gelöstes Bienenwachs oder Leinöl aufgetragen und nachpoliert.

Nutzestriche werden wie herkömmliche Estriche als Verbundestriche, auf Trennschicht oder als schwimmender Estrich verlegt. Für Nutzestriche sind grundsätzlich alle Estricharten geeignet. Für Kunstharzestriche ist die Ausführung als Nutzestrich das übliche Einsatzgebiet.
Das Datenblatt "Nutzestriche" enthält daher nur allgemeine Informationen, die mit der Ausführung als Nutzestrich zusammenhängen. Materialspezifische Informationen, die auch für Estriche mit Bodenbelag gelten, sowie Lebenszyklusinformationen sind jeweils den einzelnen Produktgruppen zu entnehmen. → rechte Navigationsleiste  "Links zur Produktgruppe"

Wesentliche Bestandteile

Je nach Beanspruchung werden Varianten des Bindemittels bzw. der Gesteinskörnung verwendet, z.B. Hochvakuumbitumen für eine erhöhte Härte des Gussasphaltestrichs oder Hartstoffe nach DIN 1100 bei Zementestrichen („Zementgebundener Hartstoffestriche“).

Die Oberfläche kann versiegelt oder imprägniert werden. Die Mittel basieren meist auf  → Epoxidharz oder → Polyurethanharz.

Charakteristik

Nutzestriche punkten im Vergleich zu konventionellen Bodenbelägen mit fugenloser Oberfläche. Im Vergleich zu Estrichen, die mit einem Belag versehen werden, muss bei Nutzestrichen jedoch deutlich sorgfältiger gearbeitet werden. Sorgfältig ausgeführte Nutzestriche stellen strapazierfähige, pflegeleichte und langlebige Bodenbeläge dar.

Die Optik der Nutzestriche kann durch unterschiedliche Maßnahmen beeinflusst werden: Anordnung, Größe, Form und Farbe der später sichtbaren Gesteinskörnungen prägen das Grundbild. Der Estrichmörtel kann außerdem mit Pigmenten oder Farbstoffen eingefärbt werden. Die Oberfläche kann durch entsprechendes Schleifen und Polieren von matt bis hochglänzend variiert werden. Nicht zuletzt beeinflusst die abschließende Beschichtung das Erscheinungsbild.

Besonders wichtige Eigenschaft hinsichtlich Umwelt- und Gesundheitsrelevanz

Bei Nutzestrichen wird kein Bodenbelag benötigt. Diesem ökologischen Vorteil stehen Mehraufwände für die Verlegung und Behandlung des Estrichs gegenüber:

  • Die Versiegelungen oder Imprägnierungen basieren auf Kunstharzen, zumeist werden Beschichtungen auf Epoxidharzbasis oder Polyurethanbeschichtungen mit sensibilisierenden Eigenschaften (GISCODE P40/P50/P60) angeboten.
  • Die Recyclingquote von Estrichen ist generell gering. Durch die Beschichtung der Nutzestriche ist die Wahrscheinlichkeit einer hochwertigen Verwertung aus heutiger Sicht noch geringer. Nutzestrichabfälle mit hohem Anteil an organischen Bestandteilen (z.B. Kunstharzestriche), müssen vor der Deponierung vorbehandelt werden. siehe auch Kunstharzbodenbeläge auf Reaktionsharzbasis
  • Beim Schleifen und Polieren entstehen Lärm- und Staubemissionen. Für mehrmaliges Schleifen oder die Vorbehandlung der Gesteinskörnungen wird außerdem Energie benötigt. Belastbare Ökobilanzdaten dafür liegen aktuell nicht vor.

Die für die Einfärbung des Zementmörtels üblicherweise eingesetzten Eisenoxidpigmente stellen keinen Gefahrstoff dar. Flüssigpigmente (wässrige Suspension) enthalten üblicherweise Topfkonservierungsmittel (i.d.R. Isothiazolinone).
→ siehe dazu Sonderthemen in WECOBIS / Isothiazolinone in Bauprodukten

Bauaufsichtliche Anforderungen für Kunstharzestriche

Kunstharzestriche gemäß DIN EN 13813, zu denen auch Nutzestriche gehören können, benötigten bis 16.10.2016 bei der Verwendung in Aufenthaltsräumen einschließlich zugehöriger Nebenräume eine abZ der Gruppen Z-156.605 (Fußbodenbeschichtungen) aus Gesundheitsschutzgründen (genaue Erläuterung siehe Lexikon abZ). Sie umfasste eine Emissionsprüfung zur quantitativen Bestimmung und Bewertung flüchtiger (VOC) und schwer flüchtiger (SVOC) Verbindungen auf Basis des AgBB-Bewertungsschemas. Inhaltlich ist der Nachweis auch lt. aktueller Bauordnung (siehe Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen MVVTB A 3.2.1 in Verbindung mit Anhang 8) nach wie vor erforderlich, nur nicht mehr über das Ü-Zeichen bzw. zwingend über eine abZ des DIBt.
Detaillierte Erläuterungen zum bauaufsichtlichen Rahmen und zu den möglichen Technischen Nachweisen:
DIBt / Bauprodukte und Bauarten / Fußbodenbeschichtungen
DIBt / Flyer Technische Nachweise

Alternativen hinsichtlich Umwelt- und Gesundheitsrelevanz

Oberflächenbeschichtungen

Gesundheitsgefährdungen können vor allem bei der Beschichtung mit lösemittelbasierten, epoxidharzbasierten oder auf Polyurethan mit sensibilisierenden Eigenschaften (GISCODES PU40/PU50/PU60) basierten Produkten auftreten (siehe auch → Epoxidharzfarben, Polyurethanharzfarben). Für diese Beschichtungssysteme empfiehlt die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG-Bau) zu prüfen, ob der Einsatz weniger gefährlicher Produkte (WINGISOnline) möglich ist.

Als Ersatzprodukte kommen Kunststoffdispersionen zum Beispiel auf Acrylbasis in Frage. Diese werden im Vergleich zu Epoxidharz- oder Polyurethanbeschichtungen als weniger hart und weniger gut für den Wohnbereich geeignet beschrieben und kommen in der Regel eher für Nutzflächen wie Garagen oder Kellern in Betracht.

Wie Natur- und Betonwerksteine können Nutzestriche auch mit Ölen und/oder Hartwachsen beschichtet werden. Eine weitere, ebenfalls aus der Behandlung von Natur- und Betonwerkstein bekannte Alternative ist die Verkieselung mit Mitteln auf Basis von Wasserglas. Da Wasserglas stark ätzend ist, muss bei der Verarbeitung unbedingt eine entsprechende Schutzausrüstung getragen werden. Vor dem Verkieseln, Ölen oder Wachsen sollte die Estrichoberfläche extrem fein geschliffen werden.
Weitere Informationen zu diesen Beschichtungsmitteln siehe → Imprägniermittel für mineralische Bodenbeläge.

Nutzestrichbeschichtungen mit GISCODES PU10/PU20 oder PU30 konnten im Zuge der Recherchen nicht gefunden werden.
Aufgrund der zwischenzeitlichen geänderten Einstufung der in PU-Beschichtungen i.d.R. enthaltenen polymeren Isocyanate, ist zumindest eine Einstufung in PU10 oder PU20 aufgrund der erforderlichen Gefahrenhinweise (u.a. H317, H351) nicht mehr möglich. Auf dem Markt befinden sich deshalb vermutlich keine (korrekt) in PU10 oder PU20 eingestuften PU-Beschichtungen mehr. Diese müssen inzwischen in PU40 bzw. PU50 eingestuft werden. Der GISCODE Einstufungskatalog für Polyurethanharz-Produkte (Stand 08/2008) ist lt. Auskunft GISBAU derzeit noch in Überarbeitung (Stand 09/2020).

In Literaturquellen werden regelmäßig Beschichtungen auf Latex- oder Kautschukbasis zitiert, entsprechende Produkte konnten allerdings ebenfalls nicht gefunden werden.

Laut OekoKauf Wien Infoblatt ist das mit Abstand wichtigste Kriterium bei Beton- und Estrichbeschichtungen die Vermeidung zweikomponentiger Reaktionsharzlacke. Bei zweikomponentigen PU-Systemen werden vor allem die in der Härterkomponente enthaltenen Diisocyanate wegen ihrer atemwegstoxischen und stark sensibilisierenden Wirkung als problematisch gesehen. Epoxidsysteme werden als besonders gefährlich eingeschätzt, weil beide Komponenten hochsensibilisierende Stoffe enthalten. → weitere Anforderungen siehe ÖkoBauKriterien baubook / Beschichtungen und Imprägnierungen

Materialökologische Anforderungen in WECOBIS

Nutzestriche auf Kunsharzbasis:

Oberflächenbeschichtungen:

Lieferzustand

siehe → Estriche

Quellen

DIN 18560-7:2004-04: Estriche im Bauwesen - Teil 7: Hochbeanspruchbare Estriche (Industrieestriche)

InformationsZentrum Beton GmbH: B19 - Zementestrich / Zement-Merkblätter Betontechnik / Ausgabe 7-2015 (zuletzt abgerufen am 29.12.2021)

ÖkoKauf Wien - Infoblätter: Beton- und Estrichbeschichtungen (zuletzt abgerufen am 29.12.2021)

PAVIDENSA (Abdichtungen Estriche Schweiz): Fachartikel Estriche (zuletzt abgerufen am 29.12.2021)

VGL Verlagsgesellschaft mbH: Estrich versiegeln – Anleitung (zuletzt abgerufen abgerufen am 29.12.2021)

Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich
Infoblatt Nutzestrich