Maßnahmen im Baubereich - Alternativen

Während das Bewusstsein, dass Elektronikprodukte und andere Konsumgüter mitunter giftige Substanzen enthalten können, bereits weitgehend verankert ist, ist das im Zusammenhang mit Bauprodukten häufig noch nicht der Fall. In den letzten Jahren kommen verstärkt unterschiedlichste Kunststoffe mit Additiven (Weichmacher, Biozide, Flammschutzmittel) am Bau zum Einsatz, die dem Anwender großteils unbekannt sind. Der vermehrte Einsatz von Kunststoffen im Bau stellt eine noch nie zuvor dagewesene erhebliche zusätzliche Exposition der Bevölkerung und der Umwelt mit synthetischen Substanzen dar.

  • Welche Bauprodukte enthalten Flammschutzmittel, die als SVHC eingestuft sind? ... → mehr
  • Gibt es Alternativen zu den besonders besorgniserregenden Flammschutzmitteln? ... → mehr
  • Wie kann ich erkennen, ob ein Produkt SVHC enthält? ... → mehr
  • Wie kann ich Produkte mit SVHC vermeiden? ... → mehr
  • Was ist beim Recycling von Produkten mit SVHC zu beachten? ... → mehr

Welche Bauprodukte enthalten Flammschutzmittel, die als SVHC eingestuft sind?

Grundsätzlich muss im Baubereich bei allen Bauprodukten aus brennbaren Materialien mit dem Einsatz von Flammschutzmitteln gerechnet werden. In Baumaterialien aus biogenen Rohstoffen finden in der Regel weniger besorgniserregende Flammschutzmittel wie z.B. Ammoniumphosphate Einsatz. Seit der Aufnahme der Borsalze in die Liste der SVHC ist aber auch in diesem Bereich erstmals ein Besorgnis erregender Stoff verbreitet. Borsalze werden in einigen Dämmstoffen aus Pflanzen- oder Zellulosefasern eingesetzt.

In Baumaterialien aus Kunststoffen ist der Einsatz von besorgniserregenden Flammschutzmitteln dagegen weit verbreitet. Folgende Tabelle stellt den Einsatz möglicher Flammschutzmittel in den verschiedenen Kunststoffen und Baumaterialien dar.

Polymer Beispiel für Baumaterial Mögliche problematische Flammschutzmittel
Gehalt [%]
Polystyrol-Schaum EPS-, XPS-Dämmplatten HBCD
... → mehr zu HBCD
0,8-4
HIPS Haustechnikkomponenten DecaBDE, bromiertes Polystyrol
... → mehr zu DecaBDE
11-15
Epoxidharz Beschichtungen, Klebstoffe TBBPA 19-33
Polyamide Textile Bodenbeläge DecaBDE, bromiertes Polystyrol
... → mehr zu DecaBDE
13-16
Polyolefine Dampfsperren

DecaBDE, Propylendibromstyrol

... → mehr zu DecaBDE

5-8
Polyurethan Polyurethan-Kleber und -Schäume

TCPP, TCPP/TEP;
Bestand: PentaBDE, TCEP

... → mehr zu TCEP

10-18
Polyethylenterephthalat (PET) Armierungsfasern, textile Bodenbeläge Bromiertes Polystyrol, TBBPA-Derivat 8-11
Ungesättigte Polyester Fassadenplatten, Balkonprofile, Dachkonstruktionen, Well- und Profilplatten TBBPA 13-28
Polycarbonate Kunststoffgläser zur Überdachung von Hallen, für Vordächer oder zur Fassadengestaltung, Duschkabinen etc. Bromiertes Polystyrol, TBBPA-Derivat 4-6
Styrol-Copolymere Abdichtungsbahnen OctaBDE, bromiertes Polystyrol
... → mehr zu DecaBDE
12-15
- Spachtelmassen SCCP
... → mehr zu SCCP
<5
- Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, z.B. Zellulose-Dämmstoffe Borax, Borsäure
... → mehr zu Boraten
< Einstufungs-grenze

Gibt es Alternativen zu den besonders besorgniserregenden Flammschutzmitteln?

Bei Dämmstoffen aus Polystyrol (EPS und XPS) wird und wurde als Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCDD oder verkürzt HBCD) eingesetzt. HBCD ist laut REACH seit August 2015 verboten, für einige EPS-Hersteller gilt aber eine 4 jährige Übergangsfrist bis 2019. In Österreich, Deutschland und der Schweiz haben die meisten Hersteller bereits Anfang 2015 auf das neue Flammschutzmittel pFR (polymer Flame Retardant), ein bromiertes Styrol-Butadien-Copolymer, umgestellt. Das Ersatzprodukt pFR weist nach derzeitigem Kenntnisstand ebenfalls hohe Persistenz und noch unbekannte Toxizität auf. Ein wesentlicher Unterschied von pFR zu HBCD ist, dass es in die Polystyrolmatrix eingebunden ist. In dieser Form ist es nicht mehr auswaschbar und kann sich nicht mehr so weit verbreiten.

Achtung: EPS aus dem EU-Ausland und von einigen Herstellern in der EU, das HBCD als Flammschutzmittel enthält, darf noch bis 2019 am Markt angeboten werden. Für Restbestände/Lagerware gibt es keine Fristen.

Als alternative FSM für Epoxidharze und Polyurethane und in intumeszierenden Systemen können langkettige Ammoniumphosphate eingesetzt werden. In Kunststoffen auf Isocyanatbasis wie zum Beispiel in Montageschäumen wären Dimethylpropanphosphonat und Triethylphosphat mögliche Ersatzflammschutzmittel. In Brandschutzspachteln und –beschichtungen wird zum Beispiel Triphenylphosphat (TPP) als Alternative zu SCCP eingesetzt.

Wie kann ich erkennen, ob ein Produkt SVHC enthält?

Wenn ein Stoff oder Gemisch insgesamt als gefährlich nach 67/548/EWG oder 1999/45/EG eingestuft ist, muss im SDB ersichtlich sein, wenn ein SVHC enthalten ist. Der Konsument muss dieses SDB spätestens am Tag der ersten Lieferung erhalten.

Ist der Stoff oder das Gemisch als ganzes nicht als gefährlich eingestuft, müssen im SDB nur jene SVHCs angegeben werden, die über 0,1% enthalten sind und wegen PBT oder vBvP als SVHC gelten. ACHTUNG: Stoffe, die wegen Kriterium 57f - z.B. Hormonwirksamkeit - als SVHC eingestuft wurden, müssen hier nicht angegeben werden. Dieses SDB muss dem Kunden erst auf Verlangen vorgelegt werden. Auf direkte Anfrage des Kunden nach SVHCs hat der Hersteller 45 Tage Zeit Auskunft zu geben. Allerdings gibt es kein harmonisiertes Format für diese Informationsvermittlung. Das heißt, die Information kann entweder im Sicherheitsdatenblatt, im Technischen Merkblatt oder über einen losen Zettel oder eine E-Mail bereitgestellt werden.

Für Erzeugnisse müssen keine Sicherheitsdatenblätter erstellt werden. Allerdings sieht die REACH-Verordnung für SVHC ebenfalls Informationspflichten vor. Die Hersteller und Vertreiber müssen im „Business To Business"-Bereich kommunizieren, wenn mehr als 0,1 Gew.% an SVHC (jeder Einzelsubstanz) enthalten sind. Im „Business To Consumer"-Bereich erfolgt diese Informationsweitergabe nur auf Anfrage der Konsumenten. Nähere Informationen zum Auskunftsrecht unter: www.reach-info.de/auskunftsrecht.htm.

Zudem verlangt die 2011 verabschiedete Bauproduktenverordnung ((EU) Nr. 305 /2011) seit 1.7.2013 eine generelle Kennzeichnung von SVHC der Kandidatenliste in allen Bauprodukten (Gemische und Erzeugnisse), die unter den Geltungsbereich der Bauproduktenverordnung (BauPVO) fallen, sofern der Gehalt 0,1 Gew.% (jeder Einzelsubstanz) überschreitet. Die entsprechenden Informationen müssen zusammen mit der Leistungserklärung, die zusätzlich zur CE-Kennzeichnung erstellt und dem Bauprodukt beigefügt werden muss, zur Verfügung gestellt werden.

Weil es rein optisch kein Unterscheidungsmerkmal (z.B. Farbe, Aufdruck) zwischen einer EPS-Dämmplatte mit HBCD oder mit pFR gibt, und die Information nicht an eine bestimmte Kommunikationsform gebunden ist, ist zu vermuten, dass wird vor allem später beim Recycling Probleme verursachen wird.

Wie kann ich Produkte mit SVHC vermeiden?

Der Ausschluss von SVHC kann als Vorbemerkung oder als Beschreibung einer Teilleistung in Vertragsbedingungen, Hinweistexten oder Standardbeschreibungen eingefügt werden. Textvorlagen dazu bieten die in WECOBIS abgebildeten materialökologischen Anforderungen und Textbausteine basierend auf dem Kriteriensteckbrief 1.1.6 "Risiken für die lokale Umwelt" des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB).

Die Anforderungen werden in fünf Qualitätsniveaus (QN1 – QN5) eingeteilt, wobei QN5 das höchste Qualitätsniveau und die strengsten Anforderungen darstellt. QN1 betrifft die Produktdokumentation. Die Deklaration besonders besorgniserregender Stoffe (SVHC) ist hier grundsätzlich gefordert. In höheren Qualitätsniveaus werden für viele Produkte SVHC als Einsatzstoffe ausgeschlossen. Für elastische Bodenbeläge wird bereits ab der Qualitätsstufe 4 (QN4) vollständige SVHC-Freiheit verlangt. Für Dämmstoffe in Wärmedämmverbundsystemen hingegen werden noch in der Qualitätsstufe 3 (QN3) folgende Stoffausschlüsse gefordert:

  • Ausschluss von Gefahrstoffen folgender Kategorien: krebserzeugende, erbgutverändernde, fortpflanzungsgefährdende (CMR-) Stoffe, toxische Stoffe, sensibilisierende Stoffe, gewässergefährdende Stoffe
  • Ausschluss von PBT-/ vPvB- Stoffen und halogenierter organischer Verbindungen als Flammschutzmittel

Mit diesen beiden Anforderungen sind alle Stoffe, die wegen Kriterium 57f (z.B.: hormonaktive Substanzen) als SVHC gelten nicht ausgeschlossen.

Die entsprechenden Textbausteine mit der exakten Definition der Materialanforderung und der zulässigen Nachweise sind in den jeweiligen WECOBIS Planungs- und Ausschreibungshilfen, z.B. für Dämmstoffe in WDVS, zu finden.

Was ist beim Recycling von Produkten mit SVHC zu beachten?

Beim Recycling von SVHC-haltigen Produkten kann das SVHC in die Umwelt entweichen oder über die neuen Produkte weiter unkontrolliert verstreut werden. Die POP-Verordnung sieht daher zum Beispiel vor, dass POP-haltige Abfälle, dauerhaft aus den Wirtschafts-kreisläufen ausgeschleust und von möglichen Recyclingprozessen ausgeschlossen werden müssen. Die Vertragsstaaten sind dazu verpflichtet, den POP im Abfall zu zerstören oder unumkehrbar umzuwandeln. Die POP-Verordnung schließt daher zum Beispiel ein Recycling von HBCD-haltigen EPS-Dämmplatten aus. Dies umfasst auch die Anwendung als Granulat in Dämmschüttungen oder Dämmputzen. In der Praxis bedeutet dies derzeit, dass die Platten in einer Abfall- oder Mitverbrennungsanlage verbrannt werden müssten.

Für das Recycling von HBCD-haltigen Stoffen gilt in der EU aber ein Grenzwert von derzeit 1000 ppm, das entspricht 0,1 Gew.%. Stoffe, die mehr HBCD enthalten, dürfen keinem Recycling mehr zugeführt werden. EPS-Dämmplatten enthalten ca. 1 Gew.% HBCD. Aktuell wird weltweit über das Basel-Abkommen der strengere Grenzwert von 100 ppm (0,01 Gew.%) diskutiert, wobei nur Deutschland und Dänemark auf den derzeit geltenden höheren Grenzwert bestehen.

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Auszug aus:
SVHC am Beispiel von Flammschutzmitteln in Bauprodukten (in WECOBIS: "Flammschutzmittel in Bauprodukten"), IBO Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH,
Dr. Caroline Thurner, Mag. Hildegund Mötzl, erstellt im Auftrag der Bayerischen Architektenkammer, 2015

Inhaltsverzeichnis

Flammschutzmittel in Bauprodukten

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Rechtliche Grundlagen der Europäischen Chemikalienpolitik

Erläuterung der wichtigsten Begriffe der europäischen Chemikalienpolitik

  • REACH - Die europäische Chemikalienverordnung
  • ECHA - Die Europäische Chemikalien Agentur
  • GHS - Das global harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen
  • CLP - Die Verordnung, die die Umsetzung des GHS in Europa regelt
  • POP - Stockholmkonvention - Ein internationales Übereinkommen, das zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt die Produktion, Verwendung und Freisetzung von persistenten (hartnäckigen) organischen Schadstoffen (POP, persistent organic pollutants) weltweit einschränken oder, wenn nötig, sogar beenden soll.

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Besonders besorgniserregende Stoffe - substances of very high concern (SVHC)

Was sind besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) und welche Folgen hat die Einstufung eines Stoffes als SVHC?

SVHCs sind besonders besorgniserregende Stoffe (substances of very high concern), die am europäischen Markt nach und nach durch andere, weniger gefährliche Stoffe ersetzt werden sollen.
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Flammschutzmittel mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften in Bauprodukten

Ausführliche Erläuterungen zu Einsatzbereich, Charakterisierung, chemischen Eigenschaften und rechtlicher Einstufung

  • Hexabromcyclodekan (HBCDD oder meistens verkürzt HBCD)

HBCD fand über Jahrzehnte hinweg breite Anwendung als Brandschutzmittel in Kunststoffen aus Styrol und in expandierten und extrudierten Polystyrol-Hartschäumen (EPS und XPS), HIPS-Gehäusen, Textilien und Polstermöbeln. ... Obwohl HBCD bereits 2013 von der Stockholmkonvention in die Liste der POPs aufgenommen wurde, war in Europa bis zum 21.8.2015 die Herstellung und Verwendung uneingeschränkt erlaubt. Seither darf HBCD nur noch in expandierten Polystyrol-Hartschäumen (EPS) zur Wärmedämmung von Gebäuden verwendet werden und nur dann, wenn der Hersteller eine vorläufige Zulassung der Europäischen Kommission bis 21.8.2019 erwirkt hat.
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  • Tris(2-chlorehyl)phosphat (TCEP)

TCEP wird sowohl als Weichmacher und Viskositätsregulator als auch als Flammschutzmittel in Schäumen, Polyestern und anderen Polymeren, wie Polyurethanen, PVC und Poliisocyanuraten eingesetzt. Diese Polymere werden in so unterschiedlichen und alle Lebensbereiche umfassenden Produkten verwendet wie Textilien, Pölstern, Matratzen, Tapeten, Teppichen, Autos, Möbeln, Lacken, Wärmedämmungen, Dichtungsschäumen, flammschützenden Beschichtungen. ... Seit 21.8.2015 darf TCEP in der EU ausnahmslos nicht mehr produziert und in Umlauf gebracht werden.
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  • Decabromdiphenylether (DecaBDE)

Decabromdiphenylether (DecaBDE) wird als Flammschutzmittel in Kunststoffen wie Polyethylen, Polypropylen, ungesättigten Estern und Polybutylenterephthalat für elektronische Geräte, Fahrzeuge, Polstermöbel und in der Bauchemie eingesetzt. ... Eine weitestgehende Beschränkung der Produktion und Verwendung von DecaBDE in der EU steht derzeit zur Diskussion.
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  • Kurzkettige Chlorparaffine (short chained chlorinated paraffins SCCP)

SCCP (Short Chained Chlorinated Paraffins) – kurzkettige Chlorparaffine - werden auch chlorierte Paraffine genannt. Sie werden hauptsächlich in Kunststoffen als Weichmacher oder wegen ihrer flammhemmenden Wirkung eingesetzt. Sie werden Fugendichtmassen, Gummi oder Papier zugegeben und als Fettungsmittel in Leder und Pelz eingesetzt. ... SCCP können vermutlich Krebs erzeugen (Carc. 2, H351) und sind sehr giftig für Wasserorganismen (H400, H401). 2008 wurden SCCP aufgrund ihrer Eigenschaften als PBT und vPvB als SVHC eingestuft und in die Kandidatenliste für eine Zulassung aufgenommen. Über die Aufnahme von SCCP als POP in den Anhang A, B oder C der Stockholmkonvention konnte bisher noch keine endgültige Entscheidung getroffen werden.
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  • Borate

Als Borate bezeichnet man die Salze aber auch die Ester der Borsäure. ... 2010 wurden Borsäure und Borax von der europäischen Kommission wegen ihrer reproduktionstoxischen (fortpflanzungsgefährdenden) Wirkung als SVHC eingestuft. ... Borsalze werden in einigen Dämmstoffen aus Pflanzen- und Zellulosefasern eingesetzt.
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Maßnahmen im Baubereich

  • Welche Bauproduktgruppen enthalten Flammschutzmittel (FSM), die als besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) eingestuft sind?
  • Gibt es Alternativen zu den besonders besorgniserregenden FSM?
  • Wie kann ich erkennen, ob ein Produkt SVHC enthält?
  • Wie kann ich Produkte mit SVHC vermeiden?
  • Was ist beim Recycling von Produkten mit SVHC zu beachten?

... → siehe oben

Quellen, Literatur und Links

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