(4. - 5.) Gesundheitliche Bedeutung von Schadstoffen im Innenraum und Grenz- und Richtwerte für Schadstoffe im Innenraum

4. Gesundheitliche Bedeutung von Schadstoffen im Innenraum

Der Innenraum als unsere „dritte Haut“ ist ein wesentlicher Baustein für gesundheitliches Wohlbefinden und für hohe Lebensqualität. Die Vermeidung von Innenraum-Schadstoffen, Schimmel und Allergenen ist deshalb besonders wichtig und kann maßgeblich beeinflusst werden. Wenn man sich in bestimmten Räumen nicht wohl fühlt oder immer wieder krank wird, ist unter Umständen das Gebäude als Ursache nicht auszuschließen.

Als „Schadstoffe in Innenräumen“ im weiteren Sinn gelten alle Substanzen und andere Faktoren, die das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigen können. Andererseits gibt es auch Faktoren, die die Raumluft positiv beeinflussen. Die Reaktion auf Schadstoffe ist individuell verschieden. Manche Menschen haben eine „Spürnase“ und sind daher sensibel für Gerüche. Andere reagieren empfindlich, wenn sie mit bestimmten Chemikalien in Kontakt kommen.

Zu den Befindlichkeitsstörungen zählen Symptome wie Kopfschmerzen, starke Stimmungsschwankungen, Verdauungsstörungen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche und Müdigkeit. Ihre Ursachen ausfindig zu machen, erweist sich oft als schwierig, da sie sich nicht bestimmten Krankheitsbildern zuordnen lassen. In vielen Fällen werden schadstoffbedingte Befindlichkeitsstörungen durch zusätzliche Belastungsfaktoren wie Stress, Lärm etc. noch verstärkt.

Luftverschmutzungen belasten primär den Atmungstrakt, also die Schleimhäute der Nase, des Rachens und des Kehlkopfes. Betroffen sind auch Luftröhre und Lunge sowie die Bindehaut der Augen. Akute Reizerscheinungen der oberen Atemwege sowie Bindehautreizungen werden in Innenräumen meist durch flüchtige Substanzen wie Formaldehyd und Lösungsmittel sowie durch Allergene verursacht. Trockene Luft begünstigt die Entstehung dieser Beschwerden.

Die Empfindlichkeit von Menschen gegenüber Luftschadstoffen ist individuell sehr verschieden. Manche reagieren schon auf geringste Mengen mit verringerter Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Beeinträchtigungen der Atemwege oder Unbehagen. Diese Symptome sind Warnsignale für die Gefährdung der Gesundheit und können auch Vorboten krankhafter Veränderungen sein. Eine besondere Gefahr stellen Schadstoffe in Innenräumen dar, wenn die Abwehrkräfte eines Menschen geschwächt sind, wie etwa in der Regenerationsphase nach einer Krankheit. Gute Luft ist besonders in Räumen wichtig, in denen sich Kinder, Schwangere, ältere Menschen und Personen, die unter Atemwegsproblemen leiden, aufhalten.

Allergien sind Überreaktionen des menschlichen Immunsystems. Substanzen, die Allergien auslösen, nennt man Allergene. Mit Allergenen kommt der Mensch über die eingeatmete Luft, die Nahrung und durch Hautkontakt in Berührung. Als Symptome treten vorwiegend Reizungen der Schleimhäute (Atmungstrakt, Auge), Schnupfen, allergisches Asthma und Kontaktekzeme auf. Zu den wichtigsten Allergenen in Innenräumen zählen Hausstaubmilben, Schimmelpilzsporen sowie Haare und Hautschuppen von Haustieren. Auch Schadstoffe aus Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen sowie Pflanzen können Allergien hervorrufen.

„Multiple Chemical Sensitivity“ (MCS) bezeichnet eine generelle Überempfindlichkeit gegen Chemikalien. Betroffene Menschen reagieren auf verschiedenste Chemikalien – auch schon in niedrigster Konzentration – mit Befindlichkeitsstörungen und Reizerscheinungen. Das sogenannte „Sick Building Syndrom“ äußert sich in unspezifischen Symptomen wie etwa Schleimhautreizungen, Müdigkeit und Kopfschmerzen.

5. Grenz- und Richtwerte für Schadstoffe im Innenraum

Echte Grenzwerte für Substanzen in Räumen gibt es mit einer Ausnahme (Tetrachlorethen) nur für Arbeitsplätze, an denen mit gesundheitsschädlichen Substanzen gearbeitet wird und an denen Arbeitsplatzgrenzwerte nach der Gefahrstoffverordnung gelten. Diese Grenzwerte werden allerdings nicht, wie der Titel vielleicht vermuten lässt, an allen Arbeitsplätzen angewendet, sondern nur an solchen, an denen mit gesundheitsschädlichen Stoffen gearbeitet wird. So ist eine Belastung mit Formaldehyd in der Luft eines Büroraumes, die durch Ausgasung aus spanplattenhaltigen Möbeln entsteht, wie eine Belastung im Wohnraum zu betrachten und nicht wie eine Belastung am Arbeitsplatz, etwa in der chemischen Industrie.

Für „Innenräume" wie Büros, Schulen, Wohnräume und dergleichen wurden spezielle Richtwerte veröffentlicht, die aus Vorsorgegründen weit unter den Arbeitsplatzgrenzwerten liegen. Im Auftrag der Gesundheitsministerkonferenz wurden seit 1993 vom „Ausschuss für Innenraumrichtwerte“ (früher „Ad-hoc-Arbeitsgruppe“) zahlreiche Verunreinigungen der Innenraumluft quantitativ bewertet und bundeseinheitliche Richt- und Leitwerte für die Innenraumluft festgesetzt. Dieser Ausschuss besteht aus Fachleuten der Innenraumlufthygienekommission (IRK) und Fachleuten der Arbeitsgruppe Innenraumluft des Umwelthygieneausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Diese Richtwerte wurden auf der Website des Umweltbundesamtes veröffentlicht und laufend erweitert.

Neben den Richtwerten definierte der Ausschuss für Innenraumrichtwerte auch Leitwerte. Unter einem Leitwert versteht der Ausschuss einen hygienisch begründeten Beurteilungswert für einen Stoff oder eine Stoffgruppe. Leitwerte werden festgelegt, wenn systematische praktische Erfahrungen vorliegen, dass mit steigender Konzentration die Wahrscheinlichkeit für Beschwerden oder nachteilige gesundheitliche Auswirkungen zunimmt, der Kenntnisstand aber nicht ausreicht, um toxikologisch begründete Richtwerte abzuleiten. Leitwerte wurden bisher für Kohlendioxid in der Innenraumluft, für die Summe der flüchtigen organischen Verbindungen (Total Volatile Organic Compounds – TVOC) und für Feinstaub (Particulate Matter – PM2,5) festgelegt.

Für Schimmelsporen in Innenräumen sind fixe Richtwerte nicht sinnvoll. Schimmelprobleme werden nach dem „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ des Umweltbundesamtes behandelt.

Mitunter werden zur Bewertung von Raumluftschadstoffen auch sogenannte „Baubiologische Richtwerte“ angeführt. Diese haben keine nachvollziehbaren wissenschaftlichen Grundlagen und sollten daher nicht zur Bewertung von Innenraumfaktoren herangezogen werden.


Auszug aus:
"Schadstoffprobleme im Innenraum" von DI Peter Tappler, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Arbeitskreis Innenraumluft am BMLFUW (österreichisches Umweltministerium), Mitglied der Innenraumluft-Hygiekommission des Umweltbundesamtes, IBO-Innenraumanalytik OG

Inhaltsverzeichnis

Auftreten, Eigenschaften
Was ist gesunde Raumluft?
Was ist ein „Innenraum“?

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Gesundheitliche Bedeutung von Schadstoffen im Innenraum
Grenz- und Richtwerte für Schadstoffe im Innenraum

... → siehe oben.

Die wichtigsten flüchtigen Stoffe in der Innenraumluft
Was sind die Hauptverursacher an flüchtigen Stoffen?

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Die Problematik der tieferen Bauteilschichten – interzonaler  Massentransfer

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Fallbeispiele mit Vermeidungsstrategien

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Literatur

Weiterführende Dokumente, zitierte Quellen ... → mehr