Sanierung formaldehydbelasteter Innenräume

Wurden bei Raumluftmessungen nach DIN ISO 16000-3 erhöhte Formaldehyd-Konzentrationen festgestellt, kann die Raumluftbelastung als Sofortmaßnahme durch erhöhte Frischluftzufuhr gesenkt werden (vermehrte Stoßlüftung). Anschließend ist durch einen erfahrenen Gutachter zu klären, welche Bauteile oder Einrichtungsgegenstände die Formaldehyd-Belastung verursachen.

Für eine dauerhafte Absenkung der Formaldehyd-Belastung kommen grundsätzlich verschiedene Maßnahmen in Betracht:

  • Entfernen der Quelle
  • Abdichten der Quelle
  • Chemische Bindung des Formaldehyds

 

Entfernen der Emissionsquelle

Falls Möbel die Formaldehyd-Belastung verursachen, liegt es nahe, diese aus dem Raum zu entfernen. Auch bei einfach zu demontierenden bzw. leicht zu ersetzenden Holzwerk­stoffplatten stellt das Entfernen die beste Lösung dar. Anschließend wird der Erfolg der Maßnahme durch eine Raumluftmessung überprüft. Formaldehydbelastete Holzwerkstoffe sind kein gefährlicher Abfall dar und können mit dem Hausmüll/Sperrmüll entsorgt werden. Eine Verbrennung im Hausbrand ist wegen der enthaltenen Bindemittel nicht zulässig.

Abdichten der Emissionsquelle

Sind die Emissionsquellen gut zugänglich, kann auch ein Abdichten in Erwägung gezogen werden. Oft wird eine merkliche Absenkung der Raumluftbelastung bereits dadurch erreicht, dass lediglich die besonders emissionsintensiven Kanten, Bohrlöcher (Schränke) oder Ausfräsungen beschichtet werden. Für das Beschichten von Kanten und Flächen der belasteten Holzwerkstoffplatten kann ein handelsüblicher, emissionsarmer Acryllack (Blauer Engel DE-UZ 12a) verwendet werden. Offene Kanten können auch mit einem Umleimer und Bohrlöcher oder Ausfräsungen mit emissionsarmer Silikon- oder Polyacryl-Dichtmasse (Blauer Engel DE-UZ 123) ausgefüllt werden.

Für den Fall, dass größere Flächen beschichtet werden sollen, ist zu bedenken, dass die Im Lack enthaltenen Lösemittel zu einer neuen Raumluftbelastung führen können. Grund­sätzlich gilt für alle Abdichtungs- bzw. Beschichtungsmaßnahmen: Das den Platten inne­wohnende Potenzial zur Formaldehyd-Emission bleibt erhalten. Der Erfolg der Maßnahme hängt also ganz wesentlich von der Sorgfalt und Vollständigkeit der Abdichtung ab.

Chemische Bindung des Formaldehyds

Lassen sich die Formaldehydquellen nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand ent­fernen, bietet sich in vielen Fällen eine 1998 neuentwickelte unbedenkliche und umwelt­verträgliche Sanierungsmethode mit Schafwolle an. Dabei wird die natürliche chemische Zusammensetzung der Wolle genutzt und Formaldehyd aus der Raumluft durch Chemi­esorption fest in den Wollfasern gebunden [Zwiener et al. 1999].

Schafwolle besteht chemisch betrachtet aus Eiweißfasern, deren kleinster chemischer Baustein Aminosäuren sind. Als äußerst reaktives Molekül ist Formaldehyd in der Lage mit den Aminosäuren chemisch zu reagieren. Dabei bilden sich stabile und unschädliche Verbindungen, die zu irreversiblen Vernetzungen zwischen den Peptidketten der Schaf­wollfasern führen.

Verwendet werden sollten nur Wollvliese, die weder mit Permethrin-Mottenschutzmittel noch mit Flammschutzmitteln behandelt sind. Im Falle einer Entsorgung der Vliese kann dies über den normalen Hausmüll erfolgen.

Ein ungezielter Einbau von Schafwollvliesen führt nicht zum Erfolg. Vielmehr muss im Rahmen der Sanierungsplanung zunächst geklärt werden, ob die Methode im Einzelfall erfolgversprechend ist. Anschließend ist durch einen mit dem Verfahren vertrauten Sach­verständigen ein auf das Gebäude zugeschnittenes Sanierungskonzept zu erstellen.

Sanierung mit Zimmerpflanzen?

Kurzzeitexperimente der NASA in den 1980er Jahren hatten gezeigt, dass Zimmer­pflanzen die Konzentrationen von Formaldehyd und anderen Innenraum-Schadstoffen reduzieren können. Wissenschaftler des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit befassten sich daraufhin intensiver mit dem Metabolismus von Formaldehyd und anderen Stoffen in Pflanzen. In den Blättern der Pflanzen wurde ein Enzym gefunden, das Formaldehyd umwandelt, so dass der Stoff schließlich zu Naturstoffen abgebaut werden kann. Die Entgiftungsreaktionen in den Pflanzen ähneln dabei Stoffwechsel­vorgängen in der tierischen und menschlichen Leber.

Hohe Aktivitäten des Formaldehyd-abbauenden Enzyms wurden bei der Birkenfeige und der Efeutute festgestellt. Es zeigte sich aber auch, dass entscheidend für die luftreinigen­de Wirkung nicht die Enzymaktivität ist, sondern die Formaldehyd-Aufnahmerate der Pflanze. Diese stellt letztlich den begrenzenden Faktor für die Luftfilterkapazität von Zimmerpflanzen dar [Langebartels et al. 1994]. Im Ergebnis der Untersuchungen wurde schließlich klar, dass mit Zimmerpflanzen unter Praxisbedingungen keine wirklich bedeut­same Reduktion der Formaldehyd-Konzentration in der Innenraumluft erreicht werden kann.

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Auszug aus:
Formaldehyd - Eigenschaften, Verwendung, Regelungen, Sanierung -, Dr. Gerd Zwiener, Sachverständigen Büro Dr. Zwiener, erstellt im Auftrag der Bayerischen Architektenkammer, 2015

Inhaltsverzeichnis

Formaldehyd - Eigenschaften

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Gesundheitliche Bedeutung - Innenraum-Richtwerte

Welche Wirkung hat Formaldehyd und wie wird es aufgenommen? Welche Richtwerte gelten und wie werden sie angegeben?
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Erkenntnisprozess zur Toxizität von Formaldehyd - von 1980 bis heute
Darstellung wichtiger Stationen des Erkenntnisprozesses zur Toxizität von Formaldehyd sowie die Entscheidungen deutscher und internationaler Behörden zur tolerablen Innenraumluft-Konzentration. ... → mehr

Gefahrstoffrecht

Arbeitsplatz-Grenzwerte und Einstufung
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Verwendung - Quellen für Formaldehyd im Innenraum

Holzwerkstoffe

  • Leimarten und Formaldehyd-Abgabe
  • geschlitzte bzw. genutete Akustikplatten
  • Möbel
  • Formaldehydfänger
  • Formaldehydfreie Leime

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Weitere Quellen für Formaldehyd im Innenraum

  • Schaum-Dämmplatten, Ortschaum
  • Anstrichmittel auf wässriger Basis und säurehärtende Lacke (SH-Lacke)
  • Mineralwolle-Dämmstoffe
  • Klebstoffe
  • Glasfaser-Vliese
  • Betonzusatzmittel
  • Formaldehyd in naturbelassenem Holz?

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Regelungen zur Formaldehydabgabe von Holzwerkstoffen

  • Gesetzliche Regelungen zur Formaldehydabgabe von Holzwerkstoffen (Deutschland, EU)

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  • Das französische VOC-Label

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  • Freiwillige Vereinbarungen zur Formaldehydabgabe von Holzwerkstoffen – Label

Blauer Engel, Österreichisches Umweltzeichen, natureplus-Label, Goldenes M
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Belastung der Innenraumluft

Trends, Beispielmessungen, mögliche Ursachen und Abhängigkeiten
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Raumluftmessungen

Voraussetzungen und Durchführung
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Sanierung formaldehydbelasteter Innenräume

  • Entfernen der Emissionsquelle
  • Abdichten der Emissionsquelle
  • Chemische Bindung des Formaldehyds
  • Sanierung mit Zimmerpflanzen?

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Literatur

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